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Archiv-Artikel

Steinbach besudelt Bartoszewski

BEZIEHUNGEN Vertriebenenpräsidentin attestiert polnischem Deutschland-Beauftragten und Auschwitz-Überlebenden einen „schlechten Charakter“

BERLIN dapd | Die umstrittene Vertriebenenpräsidentin Erika Steinbach sorgt erneut für Wirbel im sensiblen deutsch-polnischen Verhältnis. Die CDU-Abgeordnete sagte am Donnerstag in der ARD, der Deutschlandbeauftragte der polnischen Regierung, Wladyslaw Bartoszewski, habe „einen schlechten Charakter“. Die Opposition reagierte empört und forderte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auf, sich von Steinbach zu distanzieren.

Steinbach sagte, sie habe den 88-jährigen früheren polnischen Außenminister zunächst sehr bewundert, sei aber nun enttäuscht, weil sie ihm viele Briefe geschrieben, aber nie Antwort erhalten habe. Sie habe viel Verständnis für die Emotionen in Polen, und alle Opfer der deutschen Besatzung hätten ihr tiefes Mitgefühl, doch manche Einzelpersonen schätze sie nicht.

Außenminister Guido Westerwelle (FDP) stellte sich demonstrativ hinter Bartoszewski. Ein Außenamtssprecher erklärte, Westerwelle schätze „Herrn Bartoszewski als eine ehrenwerte Persönlichkeit mit einer großen Lebensleistung für die deutsch-polnische Aussöhnung“.

Erst vor einer Woche hatte Steinbach einen Proteststurm entfacht. Mit dem Satz „Ich kann es auch leider nicht ändern, dass Polen bereits im März 1939 mobil gemacht hat“ sorgte sie auf einer Klausurtagung der Unionsfraktion für Aufregung.

SPD-Fraktionsvize Gernot Erler forderte Kanzlerin Merkel auf, sich von Steinbach zu distanzieren. Merkel müsse dafür sorgen, dass Steinbach, die er als „unbelehrbar, unverfroren, unerträglich“ bezeichnete, das deutsch-polnische Verhältnis „nicht noch stärker“ vergifte. Eine „derart demonstrative Verweigerung von Respekt gegenüber einer Person mit einer solchen Biografie und Lebensleistung“ disqualifiziere sie.

Wladyslaw Bartoszewski war von den Nazis ins Konzentrationslager Auschwitz verschleppt und im April 1941 schwer krank entlassen worden. Im Jahr 1980 engagierte er sich in der Gewerkschaft Solidarnosc.