: Comeback des Rekordmeisters
Handballbundesligist VfL Gummersbach besiegt Angstgegner Magdeburg und überrascht dabei mit einer variablen Taktik. Neu-Trainer Alfred Gislason springt vor Freude in die Aggertalsperre
AUS KÖLN ERIK EGGERS
Ein atemberaubender, energischer Sprungwurf beseitigte letzte Zweifel. Als Daniel Narcisse, das französische Sprungwunder in Reihen des VfL Gummersbach, den Ball aus neun Metern Entfernung zum 29:25 ins gegnerische Gehäuse schmetterte, befand sich der Rekordmeister endgültig auf der Siegerstraße; 110 Sekunden vor der letzten Sirene bebte die mit 15.449 Zuschauern gut besetzte Kölnarena. Am Ende gewann der VfL das erste Spitzenspiel der 30. Saison der Handball-Bundesliga deutlich mit 31:26 (15:13)-Toren gegen den einstigen Angstgegner SC Magdeburg und bleibt bei nun 6:0-Punkten verlustpunktfrei. „Ich bin froh und stolz auf diese Mannschaft“, sagte der neue VfL-Trainer Alfred Gislason, den überraschte, „wie gut die Mannschaft schon die Taktiken spielen kann“.
Probleme gab es trotzdem. Sigurdsson, Ilic und Narcisse vergaben drei Siebenmeter, dazu leistete sich das Team vor allem in Halbzeit Zwei diverse technische Fehler. Offenbar waren die fünf VfL-Profis, die ihr Kölnarena-Debüt gaben, beeindruckt von der Atmosphäre in der riesigen Halle. „Denen ging anfangs ganz schön die Muffe“, grinste VfL-Klubchef Hans-Peter Krämer. Wenn aber die Blau-Weißen dennoch am Ende überlegen siegten, zeugt das auch von der neuen Homogenität im Kader.
Die „hohe nervliche Belastung“, die Gislason für sein Team erkannt hatte, galt freilich noch mehr für ihn. Ging es doch gegen jene Mannschaft, mit der er zwischen 1999 und Januar 2006 große Erfolge, wie den Champions League-Sieg 2002, gefeiert hatte. Wie wichtig ihm dieses Duell war, zeigt diese Wette: Gislason hatte seiner Mannschaft angedroht, dass sie, wie in der Vorbereitung, im Fall einer Niederlage gegen Magdeburg durch die Aggertalsperre schwimmen müsse. Nun musste er am Sonntag selbst in den Stausee nahe Gummersbach springen – zur Schadenfreude seiner Spieler. „Ich hatte im Sommer die fünftbeste Zeit“, nahm Gislason den Spott gelassen zur Kenntnis.
Bereits nach drei Spieltagen ist die Spielauffassung und Handschrift des neuen Coaches klar erkennbar. Anders als Vorgänger Velko Kljaic, setzt der 46jährige Gislason bedingungslos auf einen Tempohandball moderner Prägung. Einen Gegentreffer beantwortet der VfL neuerdings mit der „Schnellen Mitte“, dem sofortigen Anwurf, dem ein rasanter Schnellangriff folgt. Auch im Positionsangriff sind neue Strukturen – sprich durchdachte Spielsysteme – sichtbar. Zudem können die Oberbergischen ebenfalls in der Abwehr variieren. Unter Kljaic funktionierte eigentlich nur die 5:1-Formation, in der Gudjon Valur Sigurdsson als vorgezogener „Indianer“ die Kreise des gegnerischen Aufbauspielers einengte. Jetzt deckt Sigurdsson teilweise auch den Halblinken. Und gegen Magdeburg bestand auch die defensivere 6:0-Variante ihre Feuertaufe. Als Gislason eine Viertelstunde vor Schluss entsprechend umstellte, implodierte der gegnerische SCM-Rückraum förmlich – auch weil der neue VfL-Keeper Goran Stojanovic, der im Sommer aus der Konkursmasse des VfL Pfullingen verpflichtet wurde, überragend hielt (20 Paraden).
Der Abend war für den VfL perfekt, als er noch kurzfristig die Leerstelle des verletzten russischen Rückraumspielers Denis Sacharow (Achillessehnenriss) ausfüllen konnte. Schon am Mittwoch in Kiel wird der serbische Linkshänder Milan Vucicevic (28), der zuletzt auf den Azoren bei Sporting Horta aktiv war, für die Oberberger auflaufen. „Er kann uns sofort helfen“, ist Gislason überzeugt. Die Kieler haben Vucicevic in unguter Erinnerung: Der 2,02m-Riese warf sie, damals noch im Trikot Ljubljanas, 2003 mit acht Toren aus der Champions League.