: Strategiespiel für grüne Gentechnik
Das Land plant eine Bundesratsinitiative für ein neues Gentechnikgesetz. Das NRW-Kabinett will damit auf das Zögern von Bundesagrarminister Seehofer reagieren. Die Opposition wundert sich über das Engagement der Schwarz-Gelben
DÜSSELDORF taz ■ Die Landesregierung macht einen Vorstoß für ein neues Bundesgentechnikgesetz. Falls Bundesagrarminister Horst Seehofer (CSU) weiterhin zögert, das Gesetz zu ändern, will NRW im Bundesrat selbst die Initiative übernehmen und Änderungen einreichen. Das entschied das Landeskabinett in der vergangenen Woche zusammen mit einem ganzen Katalog von Plänen im Rahmen der so genannten „Innovationsstrategie“ der Landesregierung. „Die Bundesregierung arbeitet in diesem Bereich nur langsam“, sagt André Zimmermann, Sprecher von NRW-Forschungsminister Andreas Pinkwart (FDP). Damit grüne Gentechnik leichter erforscht und angewendet werden kann, müsse das Gesetz den rechtlichen Rahmen für Landwirte und Wissenschaft klarer abstecken.
Die Regierungskoalition in Düsseldorf möchte vor allem die Haftungsregelung im Gentechnikgesetz entschärfen. „Wenn das nicht vernünftig geregelt wird, kann ich Landwirten nicht empfehlen, gentechnisch verändertes Saatgut anzubauen“, erklärt Friedhelm Ortgies (CDU), agrarpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion. Knackpunkt für die Koalition ist die gesamtschuldnerische Haftung. Wenn also das Feld eines Landwirts mit Pollen von gentechnisch verändertem Saatgut verunreinigt wird, haften alle infrage kommenden Landwirte in der Umgebung gemeinsam, wenn der Verursacher nicht gefunden wird. Das geht der CDU zu weit: „Landwirte, die nicht fahrlässig handeln, sollten auch nicht haften“, so Ortgies. Dies sehe die FDP ähnlich.
Forschungsminister Pinkwart fürchtet außerdem, GenforscherInnen würden ins Ausland abwandern, weil in Deutschland die Strafen für verunreinigte Felder zu streng und unklar formuliert seien. „Wir wollen die Forschung und Anwendung in diesem Bereich erleichtern“, sagt sein Sprecher Zimmermann. Bereits in den vergangenen Monaten hatte sich Pinkwart dafür ausgesprochen, das Gentechnikgesetz zu entschärfen: Deutschland dürfe seine Rolle in der Gentechnik nicht verspielen, „indem Rechtsunsicherheiten den Standort für Forschung und Unternehmen unattraktiv machen“, sagte der Minister Mitte August. Auch der Koalitionspartner stimmt zu: „Wir wollen den Unternehmen eine stärkere Forschung und Entwicklung in diesem Bereich ermöglichen“, sagt Michael Brinkmeier, wissenschaftspolitischer Sprecher der CDU-Landtagsfraktion.
Was sich genau im Gesetz ändern soll, verrät das Land noch nicht. Momentan liefen noch Gespräche mit anderen Bundesländern, so Zimmermann. Laut Ortgies ist aber ein Fondsmodell für das Gentechnikgesetz denkbar. Um Landwirten die finanziellen Risiken zu nehmen, könnten Industrie und Saatguthersteller in einen gemeinsamen Fonds einzahlen, der die verunreinigten Pflanzen entschädigt. Doch die Idee ist nicht neu. Schon länger ist ein Entschädigungsfonds im Gespräch, der bisher aber am Widerstand der Saatguthersteller gescheitert ist.
Die Opposition reagiert überrascht auf die Pläne der Landesregierung: „Dass die Initiative aus NRW kommt, wundert mich. Es ist möglich, dass sich da wieder die Liberalen durchgesetzt haben“, sagt Johannes Remmel, umweltpolitischer Sprecher der Grünenfraktion in NRW und betont: „Das lehnen wir strikt ab.“ Für die private Haftung der Landwirte und Wissenschaftler gebe es keine Alternative: „Industrie, Saatguthersteller und Versicherungen wollen nicht für den Schaden aufkommen.“ Letztlich bliebe nur der Staat übrig, der die betroffenen Landwirte aus öffentlichen Kassen entschädigt. MORITZ SCHRÖDER