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Archiv-Artikel

Generationengegrummel

Von grä

Wenn bei einer Diskussionsrunde über Generationserfahrungen drei von vier Teilnehmern darauf beharren, sich gar keiner Generation zugehörig zu fühlen, könnte man das Ganze mit einem gewissen Recht als Totgeburt betrachten. Tatsächlich kann man nicht behaupten, dass Walter Kempowski („Individuum“), Maxim Biller („Was ist eine Generation?“), Jana Hensel („zwischen den Welten“) und Arno Surminski („Vertreter der Kriegsgeneration“) am vergangenen Freitag im Haus der Hamburger Körber-Stiftung den Fragen sonderlich zugänglich gewesen wären. Es einte sie ein sonderbares Bestreben, die Moderatorin zu demontieren, immerhin die Kulturchefin des örtlichen NDR-Regionalprogramms. So waren sie eher am Rande mit der Suche nach Antworten beschäftigt.

Dann wurde es allerdings interessant. Erst einmal weigerte sich Biller demonstrativ, über Privates zu sprechen; seine ähnlich demonstrative Abwendung vom Podium hin zur Betrachtung des Publikums hätte man lieber bei einem Pubertierenden ertragen. Immerhin ließ er sich dann zu einer These herbei und prophezeite eine neue Generation, die, anders als die „bescheidene BRD“, im Geist des Nationalismus aufwüchse, nannte als Beispiel die kürzlich auch an NS-Gedenkstätten ergangene Anordnung, am 3. Oktober zu flaggen, und sprach den Zuhörern umgehend das Verständnis dafür ab.

Kempowski war nicht gnädiger. Ob er seine Erfahrungen im DDR-Gefängnis auch im Gespräch mit anderen hätte verarbeiten können, fragte die Moderatorin. „Mit meiner Frau vielleicht?“, bellte Kempowski. Aber er sagte noch etwas – „das interessiert doch keinen“ –, was ebenso als Gemeinplatz hätte durchgehen können. Hätte nicht eben dieser Abend das Ganze noch einmal am Beispiel seiner Nachbarin Hensel vorgeführt: Die sprach über ihre Erfahrungen mit der Rezeption ihres Buches „Zonenkinder“ in der ehemaligen DDR in erstaunlicher Allgemeinheit – „die Ostdeutschen haben es nicht gern, wenn man über sie spricht“ –, und forderte ein Gespräch zwischen den Generationen ein über die Verstrickungen in den Überwachungsstaat. Sagte es, formulierte den Wunsch, der älteren Generation „mehr zuzuhören“ und schloss: Der Wunsch, zu widersprechen, sei größer. Warum in ihrem Buch das Stasi-Gefängnis Bautzen nicht einmal erwähnt sei, wollte Kempowski von ihr wissen. Das habe sie doch schon erklärt, fiel ihr dazu ein.

Und vielleicht war dieses Generationen übergreifende Desinteresse das Eindrücklichste an diesem Abend und es war Maxim Biller, den das tatsächlich zu beschäftigen schien: „Kempowski hat Recht“, sagte er. Und kam auf die Grundfrage, warum die Leute sich nicht für fremdes Leid interessierten. Damit verabschiedete sich die Runde erstaunlich engagiert ins Weltanschaulich-Allgemeine. Nicht ohne im Schlusswort noch einmal die Moderatorin anzuharken. grä