: Union Berlin hält sich eisern in Hamburg
Der Aufsteiger in der Regionalliga erzielt ein torloses Unentschieden gegen den hohen Favoriten St. Pauli
Ungewöhnlich lautlos näherten sich die Berliner Fans dem Tatort in Hamburg. Während sonst der Schlachtruf „Eisern Union“ und das Klirren von Bierflaschen die Musik zur rot-weißen Prozession liefern, stiefelten die Anhänger des Köpenicker Fußballclubs diesmal gefasst wirkend zum Stadion am Millerntor in St. Pauli. Schließlich ist Union der Aufsteiger in der Regionalliga und St. Pauli das bundesdeutsche Kuschelkissen unter den Schmuddelkindern.
Vielleicht wären rülpsende und grölende Berliner zwischen Landungsbrücken und Reeperbahn sogar weit weniger aufgefallen. Denn die Polizei hatte sich auf etwas anderes eingestellt. Doch so warteten die Unioner, gesäumt von Polizisten mit Wasserwerfern und Videokameras, brav vor den Stadiontoren.
Vor Spielbeginn reanimierte der Stadionsprecher die Gäste mit lobenden Worten. „3.500 von euch sind aus Berlin mitgekommen. So viele Fans haben andere Vereine nicht mal bei Heimspielen“, rief er auf die deeskalierende Pauli-Art. Ja, das tat der rot-weißen Seele gut. „Eisern Union“, dröhnte es jetzt durch die Arena. Dennoch bildete die Fraktion der Paulistas die Überzahl. Das Gastspiel des Tabellenzweiten aus der Hauptstadt war mit 19.400 Augenzeugen ausverkauft.
Zu den Klängen des AC/DC-Klassikers „Hell’s bells“ schlurften die beiden Mannschaften ins Stadion. „Es wird ein heißer Tanz. Für die jungen Spieler wird es ein spannendes Erlebnis“, hatte Unions Kapitän Sebastian Bönig prophezeit. Vor vier Jahren war der 25-Jährige mit LR Ahlen selbst zum ersten Mal durch die Stimmungshölle am Millerntor gegangen. „Da heißt es: Ruhe bewahren“, riet er.
Leider schien sein Kollege Karim Benyamina nicht zugehört zu haben. Nach zwei Spielminuten schlenzte Unions Stürmer den Ball unbedrängt am Pauli-Kasten vorbei. Das famose Zuspiel hatte Berlins Ex-Paulianer Nico Patschinski geliefert, den sie am Millerntor auch „Porno Pat“ nennen, weil „Patsche“ mal einen Fallrückzieher mit einer Liebesstellung verglich.
Danach legte St. Pauli gegen Union den Vorwärtsgang ein. Was blieb der Heimelf anderes übrig? Kaum stellte ein Spieler den Fuß auf den Ball, um einen gelungenen Spielzug auszuhecken, forderte die brodelnde Menge: Attacke! Für Selbstfindung ließen am Sonnabend die Zuschauer keinen Raum.
„Es war ein typisches Kampfspiel“, analysierte Hamburgs Trainer Andreas Bergmann die Partie, die mit einem torlosen Remis endete. Was nicht hätte sein müssen, wäre sein Pseudo-Joker Marvin Braun nicht zum Schützen des verpassten „Tor des Monats“ avanciert. Nach 55 Minuten brachte der Unglücksstürmer das Kunststück fertig und köpfte den Ball aus wenigen Zentimetern Entfernung am leeren Union-Kasten vorbei.
„Da hatten wir Glück“, gestand Berlins Trainer Christian Schreier, der seiner Mannschaft ein Lob zollte für den fünften Auftritt in der Regionalliga ohne Gegentreffer. Draußen wanderten die Union-Fans zufrieden ab. Einige lagen später schlafend im ICE Richtung Heimat. Am Hauptbahnhof angekommen, war es endlich zu hören. „Eisern Union“, schallte es durch Mehdorns heilige Hallen. UWE EBENHÖH