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Archiv-Artikel

DAS MONTAGSINTERVIEW„Die Superstars werden weniger“

Wenn Folkert Koopmans seine Festivals besucht, interessiert ihn vor allem eine Frage: Was kann man besser machen?ENTERTAINMENT Die Hamburger Firma FKP Scorpio hat sich in 20 Jahren zu einem der größten Festival-Veranstalter Deutschlands entwickelt. Geschäftsführer Folkert Koopmans über neue Veranstaltungskonzepte, Festivals für Erwachsene und die Katastrophe von Duisburg

Folkert Koopmans, 46

wurde im französischen Orleans geboren, wuchs in Marienhafe in Ostfriesland auf und lernte Industriekaufmann. Nach einer freiberuflichen Tätigkeit als Konzertveranstalter arbeitete er Ende der 1980er drei Jahre als Programm-Manager in der Großen Freiheit in Hamburg. 1990 gründete er die Firma FKP Scorpio, deren Geschäftsführer er nach wie vor ist. Mittlerweile gehören der FKP Scorpio-Gruppe elf Projektgesellschaften mit 60 bis 70 Mitarbeitern an. FKP Scorpio veranstaltet unter anderem das Hurrican-, M’era Luna-, Highfield-, Southside- und Elbjazz-Festival sowie den Rolling Stone Weekender.

INTERVIEW KLAUS IRLER

taz: Herr Koopmans, was hängt da für ein Konzertplakat über Ihrem Bürosessel? Die Band Amuthon kennt man gar nicht.

Folkert Koopmans: Das ist das Plakat zu dem ersten Konzert, das ich veranstaltet habe. Das war eine Band, die aus dem nächsten Ort kam. Die habe ich in der Pausenhalle des Schulzentrums veranstaltet. Da war ich 17.

Hat sich’s gelohnt?

Ja. Wir haben 250 Leute à drei D-Mark eingenommen, die Band hat inklusive Anlage 500 Mark bekommen, das heißt, es blieben 250 Mark übrig. Wir wurden übermütig und haben gemeint, man könnte beim nächsten Konzert noch mehr Geld verdienen, wenn man eine unbekanntere Gruppe nimmt, die weniger kostet. Das haben wir auch gemacht, mit dem Effekt, dass nur noch 40 Leute kamen.

Wussten Sie damals schon, dass das mal Ihr Beruf wird?

Nein, das war ein Hobby und hat Spaß gemacht. Da ging’s nicht ums Geld verdienen. Das geht es generell auch heute nicht. Wenn man jetzt sieht, man hat 50, 60, 70 Leute in der Firma, die bezahlt werden müssen, dann hat das natürlich etwas mit Geld zu tun. Aber das vorrangige Interesse ist immer noch das Interesse an Organisation und Musik.

Sind Sie selbst bei Ihren Veranstaltungen noch vor Ort?

Ich bin bei allen Festivals. Bei Club-Konzerten bin ich nicht mehr unbedingt. Wir haben im Oktober allein in Hamburg 23 Veranstaltungen, das schaffe ich nicht mehr.

Wenn Sie beispielsweise zum Hurrican-Festival gehen: Was tun Sie dort?

Meine Arbeit ist ja bereits im Vorfeld getan. Ich muss nur überprüfen, ob die Arbeit auch so erledigt wird. Oder ob mir Sachen auffallen, die besser gemacht werden können. Die ich vor Ort noch umstellen kann oder mir fürs nächste Jahr merke.

Also Sie haben Ihren Notizblock dabei.

Ich habe ein Diktiergerät, ein Funkgerät und ein Handy. Ich bin auf dem Platz unterwegs und spreche mit Mitarbeitern, Dienstleistern und Gästen. Wichtig ist auch, dass man den einen oder anderen Konzertagenten oder Manager begrüßt oder auch eine Band, wenn man einen persönlichen Kontakt hat.

Gibt es tatsächlich so viel Veränderungspotenzial, dass Sie ein Diktiergerät brauchen?

Unmengen. Das Problem ist immer die Finanzierung. Vieles, was man verändern kann, kostet Geld, bringt aber keines. Zumindest nicht direkt.

Was haben Sie in diesem Jahr anders gemacht?

Beim Chiemsee Reggae-Festival haben wir mit dem Green Camping angefangen. Das heißt, es gab Bereiche, in denen mehr Mülleimer standen. Im Gegenzug forderten wir von den Leuten, dass sie keinen Müll liegen lassen. Beim Hurricane-Festival haben wir in diesem Jahr zum ersten Mal mit der vierten Bühne in Richtung Zirkus gearbeitet. Da traten nachmittags Künstler aus dem Zirkusbereich auf. Das kostet Geld und Zeit und verkauft erst mal keine Tickets.

Warum tun Sie es dann?

Um das Programm interessanter zu machen. Um nicht nur die drei Headliner zu präsentieren. Ich verkaufe ja die Tickets immer noch aufgrund der Namen. Davon würde ich gerne wegkommen, indem ich mehr das Festival als solches verkaufe.

Beim Hamburger Dockville-Festival versuchen die Macher eine Verbindung aus Musik und bildende Kunst. Eine gute Idee?

Ja, die Richtung ist gut. Aber das kostet Unmengen an Geld, Zeit und Aufwand, was die dort machen. Da gibt es mehrere kleine Festivals, die das gut beherrschen. Die haben natürlich auch eine andere Struktur. Das sind in den meisten Fällen Einzelkämpfer oder Vereine, die nicht unbedingt davon leben müssen. Wir müssen davon leben.

Kommt das Superstar-Prinzip zu einem Ende, wenn die Stones mal tot und die Scorpions in Ruhestand sind?

Es wird schon immer Superstars geben. Aber es werden weniger, denn die Szene ist wesentlich schnelllebiger und nicht mehr so substantiell. Deshalb ist es wichtig, dass das Festival an sich lebt. Und ein gutes Festival-Programm macht man eher mit Newcomern.

Welche Rolle spielt der Erwachsenenbereich bei Festivals?

Der durchschnittliche Festival-Besucher ist zwischen 17 und 22 Jahre alt. In Deutschland geht – anders als England – nicht jeder in jeder Altersgruppe zum Konzert. In England ist das mehr ein Teil des Lebens. In Deutschland ältere Leute zu bekommen, ist sehr schwer. Wir erreichen das ein bisschen mit dem Rolling Stone Weekender, wo das Publikum im Schnitt 30 ist, weil der Komfort höher ist.

Welche Rolle spielt das Thema Kinderbetreuung bei Festivals?

Bei den üblichen Rock-Festivals empfehlen wir, keine Kinder mitzunehmen, weil’s keinen Sinn macht. Beim Rolling Stone Weekender wiederum empfehlen wir, Kinder mitzunehmen. Weil es in der Ferienanlage Weissenhäuser Strand, die wir dafür haben, Unmengen an Möglichkeiten für einen Familienurlaub gibt. Man kann die Kinder tagsüber auch mal betreuen lassen, abends kann man sich einen Babysitter bestellen.

Ihr Veranstaltungsunternehmen hat 1990 angefangen unter dem Namen Scorpio. Im Jahr 2000 ist dann die Rockband Scorpions gekommen und hat sie verklagt. Warum?

Die Scorpions haben seit Mitte der 80er Jahre ein Markenrecht in der Musikbranche. Ich hätte vielleicht eine Chance gehabt, ein Gerichtsverfahren zu gewinnen. Wenn ich aber verloren hätte, hätte ich denen Lizenzen zahlen müssen auf die Umsätze der vergangenen zehn Jahre. Das habe ich nicht riskieren wollen. Deswegen habe ich dieses FKP vor Scorpio gesetzt. Es ist kompletter Unsinn. Da hat ein Anwalt Lunte gerochen und wollte Geld machen.

In den 90ern ist die Firma sehr schnell gewachsen.

Naja, die ersten fünf bis sieben Jahre waren relativ bescheiden. Ab 1997 mit dem Beginn des Hurricane-Festivals ist es sehr schnell gegangen. Dann haben wir uns auf dem Festival-Markt festgesetzt.

Mittlerweile macht FKP Scorpio auch das Musical „Mein Freund Wickie“ und Wrestling-Shows. Gibt es da noch einen roten Faden?

Das sind einfach Bereiche des Entertainments. Der rote Faden ist, dass wir immer neue Projekte auf die Beine stellen. Das ist auch beim Hamburger Beatles-Museum so. Es geht in jede Richtung. Jede gute Idee wird verfolgt, wenn sie finanzierbar ist.

Wo kommen die Ideen her?

70 Prozent der Ideen entwickele ich selber. Das heißt natürlich nicht, dass alles absolut neu ist. Das sind auch Ideen, die man in anderen Städten wie New York, Amsterdam oder London sieht.

Haben die Ereignisse von Duisburg um die Love Parade Konsequenzen für die Veranstalter-Branche?

Das hatte im August sehr viele Konsequenzen. Das Schlagwort ist jetzt „Sicherheitskonzept“. Für uns ist es nichts Neues. Das einzig Neue ist, dass wir die Konzepte den Behörden jetzt noch transparenter aufbereiten. Wir hatten im August Veranstaltungen, bei denen wir seit 15 Jahren keine Besprechung hatten und dann kam auf einmal eine Dame vom Bau- und Ordnungsamt.

Was ist aus Ihrer Sicht bei der Love Parade in Duisburg schief gegangen?

Das war einfach eine Katastrophe. Kein professioneller Veranstalter hätte das in der Form gemacht. Nie im Leben. Jeder Techniker hier im Haus würde sagen: Ein 16 Meter breiter Ein- und Ausgang für 250.000 Menschen – vergiss es. Das geht nicht.

Man hätte die Katastrophe im Vorfeld absehen können?

Ja. Es gibt ein Versammlungsstättengesetz, da steht drin: 1,20 Meter pro 600 Besucher. Bei 250.000 Besuchern reden wir über 500 Meter. Es ist absolut unbegreiflich, dass diese Veranstaltung in Deutschland genehmigungsfähig war. Wer da konkret Schuld hat, weiß ich nicht, aber sie haben auf jeden Fall alle drei Schuld: Sowohl die Stadt, als auch die Polizei, als auch der Veranstalter.