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Archiv-Artikel

Wie denkt die grüne Frau?

Sie, die Germanistin um die vierzig, wollte ein Kind. Sie gibt ihre Option auf eine Karriere auf. Jetzt frühstückt sie mit ihrem Mann, dem Professor. Er hat Kind, Karriere und schläft mit seiner Assistentin. Er unterhält sich mit ihr, seiner Frau, über Genderfragen, während sie sich vor der zerlaufenen Butter ekelt. Er ist ein Frauenversteher, der rhetorisch mit jeder Frau auf Augenhöhe agiert. Sie stellt ihr Leben in Frage, aber nicht ihr Kind.

„Eine ganz normale Geschichte also“, sagt Elke Schmitter, die Autorin und ehemalige taz-Chefredakteurin, über die eben vorgetragene Stelle aus ihrem Roman „Leichte Verfehlungen“.

Zufriedener Backlash

Einige um die Vierzigjährige lachen und nicken Schmitter zu, ihr, die mit ihrem lilafarbenen Kleid wie ein schönes feministisches Zitat wirkt, während sie in dem fahl-weißen Neonlicht des kleinen Raums ihre „Inputthesen“ vorträgt. „Viele Frauen aus dem bürgerlichen Milieu – und machen wir uns nichts vor, wir reden hier bürgerlich – befinden sich in einem relativ zufriedenen privaten Backlash.“ Da runzeln doch einige die Stirn, und nicken trotzdem wieder. Willkommen in der grünen „Frauen-Lounge“, die gestern Vormittag die Genderfragen des grünen Zukunftskongresses bündeln sollte.

Wo also stehen sie, die akademisch-bürgerlichen, feministisch sozialisierten Frauen? Keine schlechte Frage eigentlich – wenn selbst die liberal-bürgerliche Zeit jüngst glaubte, den neuen Feminismus ausrufen lassen zu müssen. Die Antwort liefert eine andere, über die man in der „Frauen-Lounge“ standesgemäß den Kopf schüttelt, bevor man ihr den Mund verbieten lässt.

Sie, die andere, Moderatorin, um die Mitte vierzig, wollte ein Kind. Sie macht Fernsehkarriere und ist aktuell zum vierten Mal verheiratet. Jetzt beginnt sie, ihr Leben in Frage zu stellen, nicht ihr Kind. Sie, die andere, geht in die Offensive: Sie beschließt den Rückzug ins Hausfraubemutterungsdasein, vermarktet den Entschluss als „Das Eva-Prinzip“ und brüllt in fetten schwarzen Schlagzeilen ihre Botschaft in die Frauen-Lounge: „Frauen sollten öfter mal den Mund halten.“ Eva Herman ist an diesem Sonntag Aufmacher der Bild am Sonntag und deshalb auch in der Frauen-Lounge in schönster blonder Optik präsent.

Während eine der bewegteren jüngeren Grünenfrauen fordert, die andere, Eva Herman, so zu behandeln wie auch NPD-Mitglieder, also zu ächten und auf gar keinen Fall etwa gemeinsam mit ihr auf ein Podium zu gehen, bringen es erfreulicherweise doch einige der Grünenfrauen auf einen gemeinsamen Ausgangspunkt mit „Deutschlands umstrittenster Frau“ (BamS): Mit dem Ist-Zustand, den aktuellen Erfolgen der Emanzipation, fühlt man sich nicht wohl.

Immer noch sind es die Männer, die in den Topjobs arbeiten, immer noch verdienen Frauen weniger, und doch stellen viele der Frauen fest, dass sie die Topkarriere gar nicht anstreben, dass es neben beruflicher Selbstverwirklichung und feministischem Führungsanspruch doch auch das Privatleben gebe, das als Wert neu geschätzt werde. Kein Entweder-oder, sondern ein Nebeneinander – ja, warum findet eine wirkliche Debatte darüber nicht statt? Warum fällt es so schwer, eine andere Antwort zu finden als Eva Herman mit ihrem hilflosen Rückzugsappell?

Ausgerechnet Claudia Roth wiederum gibt die schillerndste samtrote Ahnung eines „Warum“. Eigentlich nämlich sei der Fall Herman Männersache, so Roth, leider nur wolle sich keiner der Grünen-Männer zu der Überhausfrau äußern – als wollten sie eine an ihren starken Schultern lehnende Claudia zurück. Einige Lacher und Kopfnickerinnen sind ihr auch dabei wohlgesonnen. Das Dilemma wird umso klarer, je mehr der Verantwortungsträgerinnen aus der Warteschlange ans Mikrofon treten und kämpferisch an die Frau appellieren: Es sind die Männer, die endlich dazu gebracht werden müssen, einen Teil der Macht abzugeben. Es sind die Frauen, die endlich mehr Selbstbewusstsein und -vertrauen erkennen lassen müssen, die ihre Ansprüche klarer formulieren müssen. „Wie führen wir den Kampf?“

Der Ton klingt vertraut. Während am Büfett langsam, aber sicher nur noch das Müsli Stellung hält, blitzt in der Frauen-Lounge doch eine neue Farbe auf, ein erfrischendes Lila. „Dieser Politikansatz ist es“, sagt Elke Schmitter, „der mir nicht gefällt: Wir müssen Männer nicht erziehen.“ Es könne nicht darum gehen, dass Männer einseitig Macht abgeben und nur Frauen etwas dazubekämen. „Gerade hier unter Frauen muss man sich das doch ehrlich eingestehen dürfen.“

Und es darf ein Mann sein, den sie für Argumentation zurande zieht. Peter Sloterdijks Kategorie der linken empörten Zornbank, die für eine heile Welt streitet, organisiert in Parteien oder Verbänden. „Diese feministische Zornbank gibt keine Zinsen mehr.“ Vielleicht liegt darin wenigstens eine Antwort auf die Ratlosigkeit. SUSANNE LANG