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Archiv-Artikel

„Der Betrug mit dem Fleisch hat System“

Verbraucherschützer fordern härtere Strafen gegen unappetitliche Machenschaften in der Fleischbranche. Bayerische Händler konnten bundesweit ranzige Döner verkaufen. Dabei hatte Bundesminister Seehofer vor kurzem „null Toleranz“ angekündigt

VON HANNA GERSMANN

Vergammelte Dönerspieße landen auf dem Teller, in Kühlhäusern lagert überfälliges Entenfleisch. „Sie können so etwas nicht verhindern, da sind Kriminelle am Werk“, sagte dazu gestern eine Sprecherin vom Bundesverbraucherminister Horst Seehofer der taz. „Sie können nur aufdecken und bestrafen.“ Vor kurzem hörte sich das noch anders an.

Der CSU-Politiker Seehofer hatte Ende letzten Jahres – ein paar Wochen nach seinem Amtsantritt – die Devise ausgegeben: „Null Toleranz“ für Fleischaffären. Damals hatten abgelaufenes Hackfleisch in Rewe-Supermärkten und gammeliges Wildbret bei der niederbayerischen Firma Berger Aufsehen erregt.

In der vergangenen Woche haben Ermittler bei Razzien in Kühlhäusern in München und Niederbayern nun aber wieder rund 100 Tonnen Uraltfleisch gefunden. Als „ranzig, grünlich und ekelerregend“ beschrieben Fahnder die Ware. Und die ist, so steht jetzt fest, an Gastronomen im ganzen Bundesgebiet und ins europäische Ausland geliefert worden. Am Freitag hatten die bayerischen Behörden Bundesländer informiert, in denen die Gammelfleischer Kunden hatten. Samstag wurden dann mehrere hundert Kilo Fleisch in Hessen und Rheinland-Pfalz beschlagnahmt, gestern in Niedersachsen und NRW.

Thilo Bode von der Verbraucherschutzorganisation Foodwatch wundert der Fund nicht. „Der Betrug hat System“, sagt er. Der Staat mache es Fleischtricksern leicht, sie würden kaum erwischt. Zugleich seien die Gewinnmargen beim Geschäft mit Fleischmüll groß.

Der Bundesverbraucherminister schiebt die Verantwortung auf die Länder. Sie sind für die Überwachung des Fleischhandels zuständig. Seehofer wirft ihnen vor: „Die Qualität der Kontrolle, die Kontrolldichte bedarf dringend der Verbesserung.“

„Das allein hilft nicht“, erwidert Thilo Bode. Niemals könnten alle Schnitzel oder Rinderfilets getestet werden. Der Verbraucherschützer fordert härtere Strafen, nämlich Bußgelder, die nach Umsätzen gestaffelt werden. Bislang wird, wer mit ekligem Fleisch handelt, höchstens zu 20.000 Euro verdonnert. Nach dem Lebensmittel- und Futtermittelrecht droht auch Haft – bis zu fünf Jahre, wenn Menschen zu Schaden kommen. Das lässt sich aber kaum nachweisen. So werden die Täter nie zu mehr als einigen Monaten Bewährungsstrafe verurteilt.

Sowieso hieße die beste Abschreckung „name and shame“, meint Bode, also die Schuldigen beim Namen nennen und an den Pranger stellen. Würden die Behörden die Namen der einschlägigen Lieferanten veröffentlichen, würden die ihre Ware nicht mehr los. „Doch da traut sich Seehofer nicht ran“, kritisiert Bode. Der Minister habe zwar ein Verbraucherinformationsgesetz auf den Weg gebracht. Das sei aber so formuliert, dass der Bürger auch in Zukunft nicht erfährt, wer hinter dem ekligen Essen steckt. Ein Trost: Zu lange tiefgekühltes Fleisch, sagen Lebensmittelexperten, macht nicht gleich krank.