Fleisch gammelt wieder

Betriebe in fünf NRW-Städten haben möglicherweise verdorbenes Fleisch erhalten. Offensichtlich fehlen immer noch Kontrolleure. Parteien fordern härtere Strafen für kriminelle Unternehmer

VON MORITZ SCHRÖDER

Möglicherweise wurde auch in NRW Gammelfleisch verzehrt. Mindestens sechs nordrhein-westfälische Betriebe erhielten die Ware von einem Händler aus München, der massenhaft verdorbenes Fleisch gelagert hatte. „Bis zum Juli hat es Lieferungen gegeben, die auch in den Handel gelangt sind“, sagt Charlotte Niess-Mache, Beigeordnete für Verbraucherschutz in Düsseldorf. Auch in Hagen wurde die Ware schon verkauft. Ob das Fleisch verdorben war, wird momentan überprüft. Betroffen sind die Städte Hagen, Oberhausen, Wuppertal, Bottrop und Düsseldorf. Während Verbraucherschutzminister Eckhard Uhlenberg (CDU) schärfere Kontrollen verspricht, fordern die kommunalen Überwachungsämter mehr Personal.

In Düsseldorf haben die Lebensmittelkontrolleure erst aus den Medien erfahren, dass es Fleischlieferungen aus München gab. Inzwischen wissen die Fachleute, dass drei Betriebe in der Landeshauptstadt dort Kunden sind. Ob darunter auch verdorbenes Fleisch war, lasse sich nun nicht mehr feststellen: „Beschwert hat sich zumindest niemand“, so Niess-Mache. In Hagen habe ein Fleischimporteur zuletzt Ende August acht Ladungen Fleisch erhalten, die jetzt sichergestellt wurden, so ein Stadtsprecher. Ob das Fleisch verdorben war, soll bis morgen untersucht werden. In Bottrop, Wuppertal und Oberhausen werden die Betriebe ebenfalls überprüft.

Weniger als ein Jahr nach dem vergangenen „Gammelfleischskandal“ werden abermals die Lücken in der Lebensmittelüberwachung deutlich. Dabei hatte Minister Uhlenberg im vergangenen November, als ein Händler aus Gelsenkirchen durch sein verdorbenes und umetikettiertes Fleisch aufgefallen war, schärfere Kontrollen angekündigt. Unter anderem durch zusätzliche Schwerpunktkontrollen, weitere Fachleute und eine neue Informationssoftware für die Lebensmittelüberwachung sollte abgelaufenes Fleisch früher entdeckt werden.

Doch Verbraucherschützer warnen: „Es scheinen noch nicht einmal alle Kühlhäuser erfasst zu sein“, sagt Bernhard Burdick, bei der Verbraucherzentrale NRW für Lebensmittelqualität zuständig. Die Zuständigen vor Ort klagen über ihre Unterbesetzung: „Wir brauchen einfach mehr Personal“, sagt etwa Rolf Dannemann vom Lebensmittelüberwachungsamt in Wuppertal. Dort seien aus Mangel an MitarbeiterInnen nur 50 Prozent der vorgeschriebenen Kontrollen möglich, erklärt Dannemann. Auch der Sprecher der Stadt Bottrop sagt, dass ohne weitere Fachleute vor Ort nur Stichproben möglich seien. Die von Uhlenberg versprochenen Maßnahmen scheinen die Situation nicht geändert zu haben: „Bei uns sind keine Veränderungen spürbar“, sagt Niess-Mache aus Düsseldorf.

Doch selbst bessere Kontrollen können die Verbraucher laut Experten nicht vor Gammelfleisch schützen: „Es gibt keine gesetzliche Regelung, wie lange das Fleisch lagern darf. Es muss nur genusstauglich sein“, sagt Johannes Krämer vom Institut für Ernährungs- und Lebensmittelwissenschaft in Bonn. Es sei üblich, dass Fleisch länger als ein Jahr zu lagern. Erst wenn es zwischendurch aufgetaut werde, könnten Keime im Fleisch entstehen, die spätestens bei den Warenkontrollen der Händler auffallen müssten: „Offensichtlich gibt es da aber schwarze Schafe unter den Betrieben“, so Krämer. Er fordert verbindliche Lagerzeiten und Kontrollen, bevor die Ware an PrivatkundInnen verkauft wird.

Opposition und Regierung wollen kriminelle Unternehmer härter bestrafen. CDU, Grüne und der Bauerverband forderten gestern ein lebenslanges Berufsverbot, öffentliche Namensnennung der Täter sowie hohe Geld- und Haftstrafen.