: „In Bonn kommt alles mit Verspätung an“
Geteilte Ministerien sind Unsinn, sagt Exbundesumweltminister Jürgen Trittin, dessen Ministerium in Bonn saß. Dort fehle die Nähe zur Tagespolitik. Ein Umzug der Restministerien würde nicht gegen das Bonn-Berlin-Gesetz verstoßen
taz: Herr Trittin, Sie waren jahrelang Chef eines „geteilten Ministeriums“. Welchen Einfluss hatte diese Teilung auf die Arbeit des Bundesumweltministeriums?
Jürgen Trittin: Diese Form zu arbeiten hat sich nicht bewährt. Wir hatten einen erheblich höheren Führungsaufwand. Besonders negativ ausgewirkt hat sich die Teilung auf die Motivation unserer Mitarbeiter, die in Bonn saßen: Dort fehlt einfach die unmittelbare Nähe und das Drängende der Tagespolitik. Die findet in Berlin statt. In Bonn kommt alles mit einer gewissen Verspätung an.
Kam es durch die Teilung zu konkreten Verzögerungen im Arbeitsalltag?
Ja. Zum Beispiel, wenn ein komplettes Referat morgens aus Bonn nach Berlin zum Umweltausschuss reiste und die entsprechende Veranstaltung dann kurz vor Mittag abgesagt wurde. Für dieses Referat war dann ein ganzer Arbeitstag verloren. Und das ist nicht nur einmal passiert.
Sie haben schon im Juni einen vollständigen Umzug nach Berlin gefordert. Was sagen sie zur aktuellen Diskussion?
Es würde mich sehr freuen, wenn der vollständige Umzug der restlichen sechs Ministerien endlich beschlossen würde. Die meisten Ministerien, die jetzt noch in Bonn ihre Hauptstelle haben, sind kleine Ministerien, wie das Entwicklungsministerium und auch das Umweltministerium. Selbst wenn man sie alle nach Berlin verlegen würde, bliebe immer noch die Hälfte der Bundesbeamten in Bonn. Die vielen Beamten der Hardthöhe etwa könnten dort bleiben, weil sie eher für Verwaltungsaufgaben zuständig sind und nicht am aktuellen politischen Geschehen teilnehmen.
Die große Koalition könnte einen kompletten Umzug der Ministerien also ermöglichen.
Ja, und zwar ohne dafür das Bonn-Berlin-Gesetz ändern zu müssen – schließlich blieben noch genug Beamte in Bonn. Die Stimmung unter den Abgeordneten ist eindeutig für einen Umzug. Wenn alle Abgeordneten nach ihrem freien Willen entscheiden könnten, dann wäre der Unsinn der „geteilten Ministerien“ schon bald beendet.
Warum findet die Debatte um den Umzug ausgerechnet jetzt statt?
Weil endlich ein paar Leute begriffen haben, dass die vier Jahre alte Kalkulation des Bundesrechnungshofes so nicht stimmt. Der Bundesrechnungshof hielt sich für fähig, die Kosten für das ständige Pendeln zu bestimmen. Wenn man dieses Gutachten richtig einschätzen will, muss man sich nur fragen, wo der Bundesrechnungshof sitzt – in Bonn.
Manche Umzugsgegner argumentieren mit den Bonner Beamten, die angeblich partout nicht nach Berlin umziehen wollen.
Ich finde es falsch, auf dieser Ebene zu argumentieren. Bei den kleinen Beamten gibt es dann ein Problem, wenn deren Familie auf das zweite Einkommen des Partners angewiesen ist und sie deshalb nicht ohne weiteres die Stadt wechseln kann. Solche Fälle müssen bei einem Umzug natürlich berücksichtigt werden. Als ich Umweltminister war, sind wir mit 25 Prozent des Ministeriums nach Berlin umgezogen, obwohl nur zehn erlaubt waren. Allerdings gingen damals nur die Beamten nach Berlin, die das auch wollten.
Interview: KERSTIN SPECKNER