: Der Absturz bleibt mysteriös
MALAYSIA Die Maschine mit 239 Menschen an Bord ist über dem Südchinesischen Meer verschollen. Die Suche nach Wrackteilen oder Hinweisen zur Ursache geht weiter
VON NICOLA GLASS UND FELIX LEE
BANGKOK/PEKING taz | Sollte die Maschine der Fluggesellschaft Malaysia Airlines abgestürzt sein, wäre es eines der schwersten Flugzeugunglücke der letzten Jahrzehnte. Mysteriös ist deren Verschwinden allemal, auch ein möglicher terroristischer Hintergrund wird nicht ausgeschlossen.
Während am Sonntag eine internationale Flotte aus Flugzeugen und Schiffen die Gewässer zwischen Vietnam und Malaysia durchkämmte, bat Malaysia ausländische Geheimdienste und Beamte der US-Behörde FBI um Hilfe. Es ging vor allem darum, die Passagierliste zu überprüfen. „Wir untersuchen alle Möglichkeiten“, so Malaysias Transportminister Hishammuddin Hussein. Vier Reisende mit zwielichtigen Identitäten sollen sich an Bord befunden haben. „Aber wir nehmen die ganze Passagierliste ins Visier“, so Hussein.
Zwei der in der Maschine vermuteten Staatsangehörigen von Italien und Österreich hatten den Flug gar nicht angetreten. Ihre Pässe hatten die beiden Europäer innerhalb der letzten zwei Jahre in Thailand als gestohlen gemeldet. Wie der CNN berichtete, waren zwei Unbekannte mit den europäischen Pässen an Bord gegangen; sie hätten ihre Tickets offenbar gemeinsam gekauft und in der Thai-Währung Baht bezahlt. Allerdings bleibt unklar, warum es den beiden Reisenden möglich war, mit gestohlenen Pässen ein Visum für China zu erhalten und ungehindert die Flughafenkontrolle zu passieren. Zumal Interpol erklärt hat, dass die gestohlenen Pässe bei der internationalen Polizeibehörde registriert seien.
Die Boeing 777 war am Samstag gegen 0.41 Uhr Ortszeit von Kuala Lumpur aus in Richtung Peking gestartet. An Bord befanden sich 239 Menschen, darunter über 150 Chinesen sowie Passagiere aus Malaysia, Indonesien, Indien, Australien, Frankreich, USA, Ukraine, Neuseeland, Kanada, Russland, Taiwan und den Niederlanden. Zwei Stunden nach dem Start brachen Radar- und Funkkontakt aus ungeklärten Gründen ab. Das Wetter war gut, die Maschine wurde von erfahrenen Piloten gesteuert. Zwar war das verschollene Flugzeug laut Malaysian Airlines 2012 in Schanghai in einen Unfall auf dem Rollfeld verwickelt. Aber der Schaden sei repariert worden.
Einige Experten erklärten, dass es an Bord möglicherweise eine Explosion gegeben hat oder die Motoren versagt haben könnten. Vietnamesische Überwachungsflugzeuge hatten bereits am Samstag Ölspuren auf dem Meer entdeckt, aber keine Wrackteile gesichtet. Malaysias Luftwaffenchef Rodzali Daud mutmaßte, die Maschine sei möglicherweise umgekehrt. Dem widersprach Malaysia Airlines: Der Pilot hätte die Luftaufsicht informiert, auch hätte das Bordsystem Alarm ausgelöst.
Auf dem Flughafen in Peking war die Empörung am Samstagabend spürbar. „Wieso wurden die wartenden Angehörigen erst viele Stunden später informiert“, empört sich ein Reporter bei der Pressekonferenz der Malaysian Airlines am Sonntag. Ein anderer will wissen, wieso zwei Passagiere mit zwei gestohlenen Pässen die Maschine besteigen konnten. Ein dritter beklagt sich über die Betreuung der Angehörigen. „Warum wurde ihnen beim langen bangen Warten nicht einmal Wasser angeboten?“
Bislang gibt es weder ein Bekennerschreiben noch sonstige Hinweise auf einen politisch motivierten Anschlag. Die chinesischen Behörden halten auch eine Entführung für unwahrscheinlich. „Das wäre sofort aufgefallen“, so ein Vertreter. Nicht zuletzt aufgrund der diversen Inselstreitigkeiten im Südchinesischen Meer gilt das Gewässer derzeit als gut überwacht.
Obwohl der Funkkontakt bereits eine Stunde nach dem Start verloren gegangen war, wurden die wartenden Menschen in Peking auch sechs Stunden später nicht über den Verbleib informiert. Zur erwarteten Ankunftszeit um 6.30 Uhr zeigte die Anzeigetafel im Pekinger Flughafen zunächst „verspätet“ an, später dann, dass der Flug „gestrichen“ sei. „Wir wurden völlig im Ungewissen gelassen“, klagt ein Vater, der seine Frau und Tochter vom Flughafen abholen wollte. Eine 72-jährige Mutter, die wahrscheinlich ihre Tochter mitsamt Schwiegersohn und siebenjährigen Enkel verloren hat, spricht tränenüberströmt von „Verzweiflung und Hilflosigkeit“.