: Ärztliche Hilfe in Brandenburg
ABTREIBUNG Polinnen, die ungewollt schwanger werden, sind in einer oft verzweifelten Lage. Ein legaler Schwangerschaftsabbruch ist nur selten möglich. Viele Frauen suchen Hilfe im grenznahen Prenzlau
Ihr Weg nach Prenzlau im Nordosten Brandenburgs ist weit: Verzweifelte schwangere Frauen kommen aus Krakau, Bialystok oder Danzig und suchen Rat bei Janusz Rudzinski. Im vergangenen Jahr hat der polnische Arzt, der am Krankenhaus Prenzlau arbeitet, rund 1.000 Abtreibungen vorgenommen. „Die Tendenz ist steigend“, sagt der Mediziner. „In Polen muss eine Lösung des Problems gefunden werden.“
Die Verzweiflung der Frauen, die bei Rudzinski Hilfe suchen, ist groß – und doch sind sie bei Weitem besser dran als rund 150.000 andere Polinnen, die jährlich eine illegale Abtreibung vornehmen lassen. Wer das Geld hat, fährt in eine Klinik in Österreich oder Deutschland, der Slowakei oder den Niederlanden. Den anderen bleibt nur ein illegaler Schwangerschaftsabbruch in Polen, mit gesundheitlichem Risiko und der Angst vor dem Gesetz.
Nur nach Vergewaltigung
Nur 500 bis 600 Schwangerschaften im Jahr werden in Polen offiziell abgebrochen – nach einer Vergewaltigung, bei Gefahr für das Leben der Schwangeren oder schwerer Schädigung des Fötus ist es erlaubt. Doch selbst wenn das Kind schwerstbehindert ist, haben viele Ärzte nicht den Mut, die legale Abtreibung vorzunehmen, klagen Frauenrechtlerinnen in Polen. Die betroffenen Frauen müssen oft von Arzt zu Arzt ziehen – bis es womöglich zu spät ist und sie nach Erreichen der 25. Schwangerschaftswoche nicht mehr abtreiben dürfen.
„Viele Ärzte haben Angst, fürchten den Druck der Kirche“, sagt Romuald Debski, Leiter einer Frauenklinik in Warschau. Auch er war schon mit Protestaktionen und Demonstrationen von Abtreibungsgegnern konfrontiert, die Klinikmitarbeitern und schwangeren Frauen anklagend Großaufnahmen von Embyronen entgegenstrecken.
Laut und sichtbar sind die Abtreibungsgegner auch auf den „Märschen für das Leben und die Familie“. Im vergangenen Jahr scheiterte ein Bürgerbegehren, das die Abtreibung bei medizinischer Indikation unter Strafe stellen sollte. Ein Abgeordneter der nationalkonservativen Partei Recht und Gerechtigkeit erregte vor zwei Jahren Aufsehen mit der Forderung, vergewaltigte Frauen sollten im Falle einer Schwangerschaft nicht abtreiben.
„Der Arzt darf nicht helfen“, beschreibt Rudzinski das Dilemma. Gehe ein Schwangere zum Arzt, wisse sie nicht, ob sie zu ihm Vertrauen haben könne. Der Arzt wiederum könne sich nicht sicher sein, ob die Frau das Gespräch nicht vielleicht aufzeichne und der Staatsanwaltschaft übergebe. „So schweigen sie im Zimmer und schreiben sich Zettel“, sagt Rudzinski. Danach vernichte der Arzt die Zettel, damit es keine Beweise gebe.
Viele Schwangere, die kein Kind wollen, würden daher zu Medikamenten greifen, um die Schwangerschaft zu beenden. Dann bekämen sie Blutungen und glaubten, das sei schon der Abbruch. „Doch dann stellen sie fest, dass der Bauch wächst“, sagt der Arzt. Das Kind könne dadurch Schäden davontragen. „Das ist ein großes Problem.“ Von den Frauen, die bei ihm Hilfe suchen, hätten etwa drei Viertel zuvor auf solch ein Medikament gesetzt. Manchmal handle es sich auch um ein nachgemachtes Präparat vom Schwarzmarkt.
Dass der Arzt im grenznahen Prenzlau hilft, erfahren viele Polinnen über das Internet. Anonym werden in Foren Informationen über Medikamente und Kosten illegaler Abtreibungen ausgetauscht – es gibt aber auch immer wieder den Rat, ins Ausland zu reisen. Eine Abtreibung in Prenzlau kostet 450 Euro. „Das müssen die Betroffenen selbst bezahlen.“
Rudzinski würde lieber Kaiserschnitte statt Abbrüche vornehmen. Dennoch sei er froh, den betroffenen Frauen helfen zu können, wenn Gefahr für ihre Gesundheit und ihr Leben besteht, sagt er. „In der Verantwortung sind in Polen der Staat und die katholische Kirche.“ (dpa)