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Archiv-Artikel

Gammelfleisch ist noch kein Döner

Der Skandal in Bayern hat das Geschäft mit dem türkischen Fleischspieß in Verruf gebracht. Hersteller und Verkäufer reagieren empört. Der Senat will Händler prüfen

Ausgebrochen ist der jüngste Gammelfleischskandal in einem Münchner Fleischgroßhandel. Mit den Auswirkungen hat aber, auch in Berlin, eine andere Branche zu kämpfen – das Dönergeschäft. Weil man in den beanstandeten Beständen eines bayerischen Großhändlers auch Fleisch für Dönerspieße fand, wurde dieser zum „Dönerfleischhändler“. Vieles, was über „Gammelfleisch“ geschrieben wurde, wurde mit Bildern der gegrillten Fleischspieße illustriert, obwohl in den bayerischen Kühlhäusern auch Spanferkel und Wildfleisch lagerten. Der Grüne Abgeordnete Özcan Mutlu findet es beschämend, dass die Döner-Branche, die nur ganz am Rande betroffen sei, so in Verruf geraten ist.

Berliner Dönerhersteller ärgern sich, dass ihre Produkte so in Verruf geraten sind. „Wir haben schließlich keinen Dönerskandal, sondern einen Fleischskandal“, empört sich Remzi Kaplan, Chef der Firma Kaplan, Berlins größter Dönerproduzent. Kaplan beschäftigt allein in Deutschland 132 Mitarbeiter, seine Fleischspieße verkauft er europaweit. Kaplan befürchtet Umsatzeinbußen für seine Branche. Dadurch würden Arbeitsplätze gefährdet. Allein im Dönerverkauf arbeiten in Deutschland 80.000 Menschen.

Woher sein Fleisch komme, könne er anhand des Herkunftsstempels nachverfolgen, sagt Kaplan. Was mit seinem Produkt passiert, könne er nicht beeinflussen. „Was hat es mit uns Herstellern zu tun, wenn jemand unser Fleisch jahrelang im Lager liegen lässt?“, fragt sich Kaplan.

Auch Kaplans Kollegen sind verärgert, dass viele jetzt Gammelfleisch mit Döner gleichsetzen. Der Hygiene-Beauftragte der Firma Kapadokya bekommt täglich verunsicherte Anrufe von den Käufern seiner Fleischspieße. Die wollten wissen, sagt er, ob mit der Ware alles in Ordnung sei und ob alles ständig überprüft werde. Er wünscht sich harte Strafen für Händler, die verdorbenes Fleisch verkaufen. Wie stark der Skandal dem Geschäft schade, könne er erst in den nächsten Tagen abschätzen.

An den Dönerbuden zeigen sich die Auswirkungen schon jetzt: Natürlich habe sich der Skandal auf das Geschäft ausgewirkt, erzählt ein Kreuzberger Dönerverkäufer. „Die Leute kaufen weniger.“ Ein Kollege im Wedding bestätigt die sinkende Nachfrage. Die Folgen des Fleischskandals habe man in den vergangenen Tagen gemerkt.

Konkrete Fälle von verdorbenem Fleisch aus Bayern gebe es derzeit in Berlin nicht, erklärt eine Sprecherin der Senatsverwaltung für Verbraucherschutz. Es habe zwei Hinweise auf Geschäfte mit bayerischen Fleischhändlern gegeben. Diese seien untersucht worden. Gammelfleisch habe man in beiden Fällen nicht gefunden. Ob das in Zukunft so bleiben wird, könne man noch nicht sicher sagen. Die Ermittlungen seien kompliziert, weil bayerisches Fleisch über Zwischenhändler nach Berlin gelangt sein könnte. Jetzt müssten zahlreiche Geschäftsverbindungen überprüft werden.

KERSTIN SPECKNER

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