Bethanien bleibt Volkseigentum

Der Streit um das Kreuzberger Künstlerhaus ist beigelegt: Das Bezirksparlament spricht sich mit großer Mehrheit gegen eine Privatisierung aus. Damit ist erstmals ein Bürgerbegehren erfolgreich

VON CHRISTOPH VILLINGER

Erstmals ist ein Bürgerbegehren auf Bezirksebene erfolgreich zu Ende gegangen. Die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Friedrichshain-Kreuzberg hat am Montagabend mit Zweidrittelmehrheit einem Kompromisspapier zur Zukunft des Bethaniens zugestimmt. Zuvor hatten bereits Vertreter der „Initiative Zukunft Bethanien“ (IZB) den Kompromiss akzeptiert. Damit ist die Privatisierung des Gebäudes am Mariannenplatz vorerst vom Tisch.

Das Bezirksamt hatte das Haus ursprünglich an einen privaten Investor verkaufen wollen. Mitte Juni 2005 wurde der leer stehende Südflügel des Gebäudes besetzt. Besetzer und Anwohner schlossen sich zur IZB zusammen und nutzten erstmals die kurz zuvor eingeführte Möglichkeit eines Bürgerentscheids. Innerhalb von sechs Monaten sammelten sie 14.000 Unterschriften für „den Verbleib des Bethaniens in öffentlicher Hand“. Zwar erkannte das Bezirksamt davon nur 5.719 als gültig an. Das waren aber immer noch mehr als die erforderlichen drei Prozent des Wahlberechtigten in dem Bezirk.

Dem Bezirksparlament blieben zwei Monate, um sich mit den Initiatoren des Bürgerbegehrens zu einigen. Die gesetzliche Einigungsfrist wäre gestern ausgelaufen. Ohne Kompromiss wäre ein Bürgerentscheid notwendig geworden, bei dem alle Wahlberechtigten des Bezirks zur Abstimmung aufgerufen worden wären.

Laut Kompromisspapier muss der Bezirk das Bethanien zwar nicht für alle Zeit behalten. Das ehemalige Krankenhaus darf aber nur noch abgegeben werden, wenn sich „nachweislich keine Lösungen ergeben“, um den Bezirk von den so genannten kalkulatorischen Kosten zu entlasten. Selbst dann darf es nur an einen „gemeinnützigen Träger übertragen werden“. Dieser muss sich am Grundgedanken der „Selbstverwaltung der Nutzer orientieren“, aber auch „finanziell selbsttragend sein“. Die Privatisierung an einen einzelnen Investor ist somit ausgeschlossen. Stattdessen soll zusammen mit Mietern, Anwohnern und Initiativen ein Ort für kulturelle, künstlerische, politische und soziale Kommunikation entstehen.

Offen bleibt, was aus den Bewohnern des Südflügels wird. Das Kompromisspapier ist hier widersprüchlich. Zwar wird „ein Gebrauch des Hauses zu privaten Wohnzwecken“ ausgeschlossen. Andererseits soll das Bezirksamt „in Abstimmung mit den derzeitigen NutzerInnen und AnwohnerInnen“ einen gemeinnützigen Träger finden. Das schließt die BesetzerInnen mit ein.

„Jetzt gehen die Fenster des Bethaniens auf und es weht ein neuer Wind“, kommentierte sichtlich erleichtert Stefan Zackenfels das Ende eines monatelangen Tauziehens. Der Kreuzberger SPD-Vertreter im Abgeordnetenhaus hatte Sonntagnacht zusammen mit den Fraktionsvorsitzenden von Grünen, Linkspartei und SPD sowie mit Vertretern der IZB den Kompromiss ausgehandelt.

Scharfe Kritik äußerte hingegen Christoph Tannert, der Geschäftsführer des Künstlerhauses Bethanien, das einen Großteil des Gebäudes nutzt. Die Entscheidung sei eine „Katastrophe“, sagte Tannert. Das Künstlerhaus werde nach 30 Jahren professioneller Arbeit in eine Art „soziokulturelles Korsett“ gezwungen. Tannert warf den Bezirksverordneten vor, sie hätten sich von den Besetzern „einseifen“ lassen. Diese handelten nicht im öffentlichen, sondern im „egoistischen Eigeninteresse“. Er selbst lasse sich aus dem Künstlerhaus nicht vertreiben, sondern werde alle Möglichkeiten von Klage und Widerspruch nutzen.

Trotz des Kompromisses steht Friedrichshain-Kreuzberg bald ein Bürgerentscheid ins Haus. Die CDU hat ausreichend Unterschriften gegen die Umbenennung der Kochstraße in Rudi-Dutschke-Straße gesammelt. Anders als beim Bethanien ist hier ein Kompromiss zwischen den Initiatoren und der BVV nicht in Sicht. Der erste Bürgerentscheid aber fällt in Lichtenberg. Dort dürfen die Wahlberechtigten am 17. September – parallel zur Abgeordnetenhauswahl – über die Zukunft der Coppi-Schule abstimmen. Die will das dortige Bezirksamt schließen.