piwik no script img

Archiv-Artikel

Dämpfer für grüne Frontfrau

SACHSEN Antje Hermenau wird für die Landtagswahl mit nur knapp 62 Prozent zur Spitzenkandidatin gekürt. In der Kritik: ihr Liebäugeln mit Schwarz-Grün

DRESDEN taz | Bei wackeligen Umfrageergebnissen um die 5 Prozent müssten die sächsischen Bündnisgrünen eigentlich mit größter Geschlossenheit in den Landtagswahlkampf gehen. Doch weit gefehlt.

Der Nominierungsparteitag zur Landesliste für die am 31. August anstehenden Wahlen verpasste ausgerechnet Spitzenkandidatin Antje Hermenau einen Dämpfer. Die Fraktionsvorsitzende erhielt am Wochenende in Chemnitz nur knapp 62 Prozent der Stimmen, Landesvorsitzender Volkmar Zschocke auf Platz 2 hingegen fast 88 Prozent. Auf den aussichtsreichen ersten etwa zehn Listenplätzen finden sich mit Hermenau und Eva Jähnigen nur zwei „Platzhirsche“ aus der alten Landtagsfraktion.

Für Beobachter kommt vor allem das Hermenau-Ergebnis weniger überraschend als für die 1.250 Mitglieder des Landesverbands. Seit dem Wiedereinzug der Grünen in den Landtag 2004 ist ihr Rückhalt stetig erodiert. Damals wurde sie noch mit 92 Prozent der Stimmen gewählt. Dieser Schwund kann nach Meinung von Parteimitgliedern nicht allein mit ihrem Offenhalten einer schwarz-grünen Koalition erklärt werden, die sich kein Grüner in Sachsen wirklich wünscht. Auch ihre bisweilen schroffe Art mag nicht jeder, wie Hermenau selbst einräumt. Die kompetente Finanzpolitikerin, gewiss die schlagfertigste Rednerin im Parlament, ist für die Grünen aber unverzichtbar. Das weiß Hermenau auch. Gegenüber dem MDR kommentierte sie den Denkzettel zumindest äußerlich selbstbewusst: „Sie wissen schon alle, was sie an mir haben, aber sie wollen es nicht zu laut bekunden. Das ist in Ordnung.“

Für Landeschef Zschocke geht vom Listenparteitag dennoch ein Aufbruchssignal aus. Man habe „aus vielen hochkompetenten Frauen und Männern“ demokratisch auswählen können. Unter ihnen fällt auf dem umkämpften Listenplatz 6 der 23-jährige Dresdner Student Valentin Lippmann als Shootingstar auf. Rechtsextremismusexperte Miro Jennerjahn, bislang ein Aktivposten in der Fraktion, landete dagegen nur auf Platz 12. Im Februar hatte sich bereits Hermenau-Kontrahent Johannes Lichdi resigniert aus der Landespolitik zurückgezogen. Unmut regte sich auch wegen des Regionalproporzes in Leipzig, wo man sich gegenüber Dresden unterrepräsentiert fühlt. MICHAEL BARTSCH