: Kommunen stecken in der Schuldenfalle
FINANZEN Die wieder wachsende Wirtschaft bringt den Städten und Gemeinden nichts. Die Defizite wachsen
BERLIN rtr | Trotz des kräftigen Aufschwungs steuern Städte und Gemeinden auf ein Rekorddefizit zu: Im ersten Halbjahr hat sich ihr Fehlbetrag fast verdoppelt. Die Kommunen gaben 7,8 Milliarden Euro mehr aus, als sie einnahmen. In den ersten sechs Monaten 2009 hatte das Minus nur 4,2 Milliarden Euro betragen. Das teilte das Statistische Bundesamt am Dienstag mit.
Konkret stiegen die Ausgaben um 4,3 Prozent auf 84,7 Milliarden Euro an. Vor allem Bauausgaben und Sachinvestitionen legten zu. „Ausschlaggebend war hier die Umsetzung der Konjunkturpakete von Bund und Ländern“, schrieben die Statistiker: Die Gelder gab es nur, wenn die Kommunen selbst auch einen entsprechenden Anteil beisteuerten. Die Sozialausgaben kletterten mit 8,1 Prozent auf 21,2 Milliarden Euro ebenfalls kräftig. Zugleich nahmen die Städte und Gemeinden eine Milliarde Euro weniger aus der Gewerbesteuer ein, obwohl die Wirtschaft im zweiten Quartal so kräftig wuchs wie noch nie im wiedervereinigten Deutschland.
„Der Aufschwung geht an unseren Kassen vorbei“, klagte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg. 2010 erwartet sein Verband ein Rekorddefizit von 15 Milliarden Euro, das 2011 mit 14,5 Milliarden Euro ähnlich hoch ausfallen dürfte.
„Das ist nicht nur der Finanz- und Wirtschaftskrise geschuldet“, sagte Landsberg. „Wir sind seit Jahren unterfinanziert.“ Den Kommunen machen besonders steigende Soziallasten zu schaffen, die ihnen von Bund und Ländern aufgebürdet werden. 2009 waren es 42 Milliarden Euro.
„Die Sprengkraft der kommunalen Sozialausgaben muss entschärft werden“, forderte die Präsidentin des Deutschen Städtetages, Frankfurts Oberbürgermeisterin Petra Roth. Sonst drohten gravierende Folgen. „Wir werden weniger investieren können, die Infrastruktur verfällt weiter, zentrale Vorhaben wie eine bessere Kinderbetreuung können nicht voll vorangetrieben werden“, sagte Landsberg.
Um die Finanzierungslücke zu decken, nahmen die Kommunen rund 200 Millionen Euro mehr an Krediten auf, als sie an Schulden tilgten. Die Kassenkredite, mit denen kurzfristig Haushaltslöcher gestopft werden können, fehlen in der Statistik.