piwik no script img

Archiv-Artikel

Mehr blaue Zungen

In NRW breitet sich die „Blauzungenkrankheit“ weiter aus. Inzwischen sind 47 Bauernhöfe in sechs Kreisen betroffen

Laufende Nase, erhöhte Temperatur, Schläfrigkeit: Was sich nach der obligatorischen Herbstgrippe beim Menschen anhört, ist zurzeit für NRW‘s Wiederkäuer bitterer Ernst. Die so genannte „Blauzungenkrankheit“ wird durch ein Virus übertragen, das vor allem Schafe, Rinder und Ziegen befällt und seit kurzem in 47 Bauernhöfen in NRW ausgebrochen ist. Ihr Name kommt von der geschwollenen, bläulichen Zunge der betroffenen Tiere. Befallen sind inzwischen sechs Kreise und tausende Tiere im Bundesland. Sie müssen momentan nachts im Stall bleiben, bis die Krankheit überstanden ist. Dann werden sie wie üblich geschlachtet, da der Erreger für den Menschen ungefährlich ist.

Ende August hatte die Krankheit erstmals Nordrhein-Westfalen erreicht. Früher nur in wärmeren Ländern Südeuropas bekannt, „rückt sie nun nach Norden vor“, sagt Markus Fliege, Sprecher von NRW-Landwirtschaftsminister Eckhard Uhlenberg (CDU). Kurz nach ersten Fällen in Holland und Belgien, tauchte der Erreger in Deutschland zunächst im Kreis Aachen auf. Jetzt hat er, besser gesagt sie, sich bis nach Mönchengladbach ausgebreitet.

Sie ist eine nur wenige Millimeter-große Stechmücke namens Culicoides, gehört zur Familie der Gnitzen und überträgt das Virus durch ihre nächtlichen Blutmahlzeiten. Früher war sie als Krankheitsüberträger vor allem in Afrika gefürchtet. Noch wissen die Tierärzte nicht genau, weshalb sich die Gnitze auch bei uns wohl fühlt: „Der sehr warme Sommer in diesem Jahr war sicherlich ein Grund dafür“, erklärt Johannes Winkelmann vom Tiergesundheitsdienst der Landwirtschaftskammer NRW.

Mit speziellen Lichtfallen werden die kleinen Krankheitsträger jetzt eingefangen, um zu klären, welchen Virustyp sie in sich tragen und wo sie sich verbreiten. Fest steht bislang nur, dass der Virus recht harmlos ist, weil erst eines der infizierten Tiere gestorben ist. „Es ist allerdings schwierig, die Mücken zu stoppen“, sagt Fliege. Die kleinen Gnitzen sind so leicht, dass sie vom Wind getragen werden. Der nahende Winter könne den Vormarsch der Wärme verliebten Insekten aber möglicherweise beenden, so Fliege. Auf der Weide bleibt den Bauern derzeit nichts anderes übrig, als Insektizide zu sprühen. Impfstoffe gegen die Krankheit seien in Deutschland nicht zugelassen, so Winkelmann. Die Wiederkäuer müssen sich also ans Krankfeiern gewöhnen. MORITZ SCHRÖDER