… DIE MAULTASCHE? : Berlin zurückerobern
An dieser Stelle trauerte die taz am 25. Juli 2008 über den Wegzug von Alfons Kern und seines Bistros „Maultäschle“ aus der Charlottenstraße in Mitte auf die schöne Insel Fehmarn. Seitdem ist das Ostseeeiland um eine kulinarische Erfahrung reicher – und Mitte maultaschenfrei.
Doch nun ist die schwäbische Teigware in die Charlottenstraße zurückgekehrt – und hat sogar ihr Diminutivförmle abgelegt. Das neue Bistro heißt „Die Maultasche“, ist vom eher armen Süden der Charlottenstraße in den reichen Norden Richtung Linden gezogen und auch sonst dem Superlativ nicht abgeneigt.
Zur Presseverkostung am gestrigen Mittwoch gab es nämlich nicht nur roten Riesling. Statt der kleinen, fünf mal drei Zentimeter großen Normalmaultaschen sollte vielmehr die größte Maultasche der Welt aufgetischt werden. „Wir sind schließlich in Berlin“, sagte Geschäftsführer und Exilschwabe Michael Hahn. Der hatte, um sich seinen Traum vom ersten Maultaschenbistro in Köln zu erfüllen, sogar seine Reisebürokette Atlas verkauft.
Und nun das. Kaum ist die maultaschenfreie Zeit zu Ende, beginnt die Berlinbeschimpfung, frei nach dem Motto: Der Berliner ist ein Großmaul, also bekommt er, was er verdient: die Großmaultasche. Steht da der nächste Trauerfall bevor?
Ganz so riesig fiel die Großmaultasche dann doch nicht aus. Und auch die Preise im neuen Bistro sind nicht vergleichbar mit dem kulinarischen Schicki drum rum. Da freut sich die größte Minderheit der Stadt, der Schwabe.
Und die zweitgrößte bleibt traurig. Das ehemalige Maultäschle bereicherte die Küche mit den orientalischen Ideen von Sevim Kern. Hahns Maultaschen dagegen kommen – ganz untürkisch – von einer schwäbischen Maultaschenmanufaktur aus Stuttgart-Vaihingen. WERA
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