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Archiv-Artikel

Jeden Tag mehr Millionen

HOENESS-PROZESS Erste Auswertung von Unterlagen ergibt, dass der Bayern-Präsident wohl mehr als 27 Millionen Euro Steuern hinterzogen hat. Urteil fällt voraussichtlich später

Eine Haftstrafe wird durch die neuen Erkenntnisse immer wahrscheinlicher

VON CHRISTIAN RATH

BERLIN taz | Die Aussichten für Uli Hoeneß werden immer düsterer. Statt wie eingeräumt 18,5 Millionen Euro soll er sogar rund 27 Millionen Euro hinterzogen haben. In der Anklage war dem Fußballfunktionär die Hinterziehung von „nur“ 3,5 Millionen Euro vorgeworfen worden. Zum Prozessbeginn am Montag räumte Hoeneß’ Anwalt ein, dass die hinterzogene Summe viel höher liege, nämlich bei 18,5 Millionen Euro.

Eine erste Durchsicht der von Hoeneß Ende Februar eingereichten Bankunterlagen ergab nun aber, dass Hoeneß sogar etwa 23,7 Millionen Euro dem Fiskus vorenthalten haben könnte. Das sagte die für Hoeneß zuständige Fahnderin des Finanzamts Rosenheim als Zeugin am zweiten Verhandlungstag; dazu kommen nach Auskunft der Staatsanwaltschaft die 3,5 Millionen Euro aus der ursprünglichen Anklage.

Hoeneß scheint es auch schwergefallen zu sein, reinen Tisch zu machen. Immer wieder war er von der Finanzverwaltung aufgefordert worden, die Unterlagen über seine Spekulationsgeschäfte in der Schweiz vollständig vorzulegen. Doch die Anwälte entschuldigten sich mit Verweis auf ausstehende Unterlagen der Bank. Erst zwei Wochen vor Prozessbeginn, am 27. Februar, reichte Hoeneß dann einen USB-Stick ein, auf dem rund 50.000 Transaktionen dokumentiert sind. Das Material soll rund 70.000 Seiten Papier entsprechen. Am 5. März kam sogar noch eine Ergänzungslieferung dazu. Wie die Steuerverwaltung inzwischen herausfand, hatte Hoeneß’ Bank Vontobel ihm die Unterlagen aber schon ein Jahr früher, am 18. Januar 2013, zur Verfügung gestellt – ein weiterer dicker Minuspunkt für Hoeneß.

Das Gericht konnte die neue Sachlage offensichtlich noch nicht genau prüfen. Dass es wie geplant bereits am Donnerstag zu einem Urteil kommt, ist deshalb unwahrscheinlich, glaubt Gerichtssprecherin Andrea Titz. Auf jeden Fall werden zusätzliche Zeugen geladen und angehört.

Mit Straffreiheit kann Hoeneß nun ganz sicher nicht mehr rechnen. Seine Selbstanzeige vom Januar 2013 war offensichtlich nicht einmal in der Größenordnung korrekt. Eine unvollständige Selbstanzeige kann aber nach aktueller Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) keine strafbefreiende Wirkung haben. Auf die im Fall Hoeneß ebenfalls umstrittene Frage, ob die Selbstanzeige zu spät gekommen ist, weil seine Taten bereits mehr oder weniger entdeckt waren, kommt es da gar nicht mehr an. Zwar kann auch eine fehlgeschlagene Selbstanzeige bei der Strafzumessung noch mildernd berücksichtigt werden. Allerdings nimmt der Wert von Hoeneß’ ursprünglicher Offenbarung natürlich auch mit jeder zusätzlichen Information ab.

Immer wahrscheinlicher wird daher eine Haftstrafe für Hoeneß. In einem Grundsatzurteil von 2008 erklärte der BGH, dass ab einer hinterzogenen Summe von einer Million Euro in der Regel keine Aussetzung der Strafe zur Bewährung mehr möglich ist. Bei über 20 Millionen Euro ist wohl jede Hoffnung auf Bewährung illusorisch.