: Turbo-Abi wird zurückgefahren
SCHULE Die schwarz-grüne Regierung in Hessen baut die Wahlfreiheit zwischen den acht- und neunjährigen Abitur-Bildungsgängen aus. „G 8“ wird aber nicht ganz abgeschafft, wie die SPD das wollte
WIESBADEN taz | Mit einer Änderung des Schulgesetzes haben CDU und Grüne in Hessen am Dienstag eines ihrer zentralen gemeinsamen Projekte umgesetzt und die Wahlfreiheit zwischen dem achtjährigen (G 8) und dem neunjährigen (G 9) Abitur-Bildungsgang soweit wie möglich „ausgeweitet“ – ohne G 8 zehn Jahre nach seiner Einführung in Hessen gleich ganz wieder abzuschaffen.
Nach dem Entwurf, der dem Parlament in Wiesbaden nun in erster Lesung vorliegt, soll vor allem den Schülerinnen und Schülern der laufenden fünften, sechsten und siebten Klassen die Wahl zwischen „Turbo-Abi“ und der gewöhnlichen Hochschulreife gewährt werden.
An Gymnasien und kooperativen Gesamtschulen, die ab dem Schuljahr 2014/2015 von G 8 zu G 9 wechseln wollen, sollen also bereits die genannten Jahrgänge in diesen Wechsel einbezogen werden können. An Schulen, die bereits zu Beginn des Schuljahres 2013/2014 zu G 9 gewechselt sind, soll für die bestehenden Jahrgänge sechs und sieben ein Wechsel ebenfalls ermöglicht werden. Über diese Maßnahme herrschte schon im Wahlkampf Einigkeit zwischen CDU und Grünen, während die SPD das Experiment G8 gerne durch eine Verordnung rückgängig gemacht hätte. Elterninitiativen hatten noch 2013 mehr als 30.000 Unterschriften gegen G 8 gesammelt und zeigen sich nun entsprechend erleichtert. Der verkürzte Bildungsgang war mit Hinweis auf die „Konkurrenzfähigkeit“ deutscher Schüler und als Maßnahme zur Anpassung an europäische Standards eingeführt worden. Davon ist heute keine Rede mehr. Im offiziellen Elternbrief des Kultusministers heißt es: „Sofern die Schulkonferenz einen Wechsel mit laufenden Jahrgängen beschlossen hat, findet eine anonymisierte Befragung der betroffenen Eltern statt, in der Sie wählen können, ob Sie für Ihr Kind einen Wechsel zu G 9 oder den Verbleib in G 8 wünschen“. Möglich sind auch parallele Klassen, sofern die Mindestzahl von 16 Schülern erreicht wird.
In dem Brief wird zwar der Wunsch „sehr vieler“ Eltern nach einer Rückkehr zu G 9 anerkannt, aber auch auf den „zunehmenden Nachdruck“ mancher Eltern hingewiesen, das G 8-Angebot beizubehalten. Dieser kurze Weg zum Abitur galt einst als elitär. Die flächendeckende Einführung zeigte, dass sowohl Schulen als auch Schüler mit dem verdichteten Arbeitspensum überfordert waren. Während nun die Schüler aufatmen können, kommt Arbeit vor Ort auf die Schulen zu – sie sind es, die parallele Angebote stemmen und entsprechende Lehrpläne erstellen müssen. In immer mehr Ländern, zuletzt etwa in Niedersachsen, zeichnet sich eine Rückkehr zu G 9 ab. ARNO FRANK