: Eine teure Schlange aus dem Ei
PROZESS Obwohl sie selbst an die Wirksamkeit ihrer Rituale glaubt, wurde eine Offenbacher „Wahrsagerin“ gestern wegen Betrugs zu Geldstrafe verurteilt
■ Zwischen 1500 und 1603 wurden in Bremen mindestens 40 Menschen wegen Hexerei juristisch belangt, davon wurden 14 zur Verbrennung verurteilt.
■ Im letzten Bremer Hexenprozess wurden Gretje Kramer und Pellcke Stubben 1603 zum Tode verurteilt.
■ Förmlich beendet hat die Hexenprozesse in Bremen Kristina Vasa, Königin von Schweden und Herzogin von Bremen und Verden, indem sie am 16.Februar 1649 befiehlt, „alle fernere Inquisition und Process in diesem Hexen-Unwesen“ einzustellen.
Für das erste Gebet hatte die Angeklagte 700 Euro verlangt. Insgesamt forderte Maria D. laut Staatsanwaltschaft sogar 4.000 Euro für die Vorspiegelung heilerischer Tätigkeiten von ihrer Kundin. Das Amtsgericht hat die Frau aus Offenbach deshalb zu einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen à acht Euro verurteilt.
Nachdem sie ihren Onkel und damit ihre Arbeit verloren hatte, war die Mutter zweier erwachsener Kinder aus ihrem Wohnort Offenbach per Anhalter zu einer Freundin nach Bremen aufgebrochen. Als sie dort in einer Bäckerei nach Arbeit fragte, kam sie mit einer Verkäuferin ins Gespräch. Schnell stellte sich heraus, dass die Bäckereifachangestellte an ihren heilerischen Tätigkeiten interessiert sei. An Ort und Stelle vollzog die Angeklagte ein Ritual für die Verkäuferin: Diese, so Maria D.s Diagnose sei von ihrem Ehemann mit einem Fluch belegt worden. Um ihn zu lösen, legte sie ein verknotetes Seil in ein Glas Wasser. Als die Kundin das Seil herausnahm, war der Knoten verschwunden.
Bei einem zweiten Termin kam es zu einem deutlich höherwertigen Ritual: Maria D. zerschlug auf dem Kopf der Bäckereiangestellten ein Ei, und entnahm diesem eine lebendige Schlange.
Über die Vergütung für diese Dienstleistung herrschte gestern kein Einigkeit: Die Anklage bezifferte sie mit 4.000 Euro, Maria D. hingegen beharrte darauf, dass sie für alle gemeinsamen Gebete nicht mehr als 1.500 Euro verlangt habe – inklusive aller Spesen und Fahrtkosten.
Bis die Polizei eingeschaltet wurde, hatte die Offenbacherin tatsächlich nur 500 Euro und eine Halskette des Opfers erhalten, die der Besitzerin dann auch wieder zurückgegeben wurden. „Es tut mir leid. Ich weiß, dass ich damit im Leben nicht weiterkomme“, sagte die Angeklagte gestern vor Gericht.
Darin stimmte ihr der anwesende Staatsanwalt zu. Obwohl die Angeklagte noch immer an die Wirksamkeit ihrer Rituale glaubt, räumte sie auf Anraten ihres Offenbacher Strafverteidigers Wolfgang Schumann den Vorwurf des Betrugs ein.
Nach dem Prozess zeigte sich Maria D., die momentan von Hartz IV lebt, durchaus zufrieden mit dem Urteil. Es fiel niedriger aus, als vom Staatsanwalt gefordert. Und da eine Freiheitsstrafe ausblieb, kann sie wohl bald die Arbeitsstelle antreten, die ihr von einem Freund versprochen wurde.
Strafmildernd war wohl des Weiteren, dass die Bäckereifachangestellte laut zuständigem Strafrichter geradezu „darum gebettelt haben muss, dass man ihr das Geld aus der Tasche ziehe“. Dennoch räumte er ein, dass Wahrsagerei in weiten Teilen der Bevölkerung eine anerkannte Dienstleistung sei. KORNELIUS FRIZ