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Archiv-Artikel

Umschalten auf Terror

Mit der dritten Ansprache in kurzer Zeit versucht George W. Bush sein ramponiertes Image zu retten

VON BERND PICKERT

US-Präsident George W. Bush hat erstmals öffentlich die Existenz geheimer CIA-Gefängnisse für Terrorismusverdächtige zugegeben – und das Programm verteidigt. 14 führende Al-Qaida-Mitglieder, darunter Chalid Scheich Mohammed, Abu Subaidah und Ramsi Binalshibh (siehe rechts) seien in den vergangenen Tagen aus diesen CIA-Haftanstalten nach Guantánamo überführt worden, sagte Bush am Mittwoch in einer Rede im Weißen Haus vor Angehörigen von Opfern des 11. September.

Die CIA habe mit großem Erfolg alle Verhörmethoden benutzt, die angemessen, effektiv und legal seien, erklärte Bush, wollte das aber nicht weiter konkretisieren. „Die Vereinigten Staaten foltern nicht. Das verstößt gegen unsere Gesetze, und es verstößt gegen unsere Werte. Ich habe das nicht autorisiert, und ich werde es nicht autorisieren“, sagte Bush. Nur zwei Stunden vor Bushs Rede hatte das Pentagon ein überarbeitetes Handbuch zu Verhörtechniken in Militärgewahrsam veröffentlicht, das der Öffentlichkeit beweisen soll, dass die Regierung aus den Skandalen um Abu Ghraib und um die zahlreichen Foltervorwürfe Konsequenzen gezogen hat. Der Haken: Die Vorschriften gelten nur für Militärpersonal, nicht für die CIA (siehe Kasten). Deren Haftzentren aber, über deren genaue Lage Bush nichts sagte, seien nach der Überführung der Gefangenen zwar leer, sollen aber erhalten bleiben und könnten jederzeit wieder benutzt werden.

Ausführlich erläuterte Bush, dass die CIA Informationen aus ihren Gefangenen herausgepresst habe und welche, und zählte eine Reihe von Verhaftungen auf, die aufgrund der Informationen hätten vorgenommen werden können, sowie geplante Anschläge, die hätten verhindert werden können. Nachprüfen kann das niemand. In Guantánamo sollten die Häftlinge nunmehr wegen Kriegsverbrechen vor Gericht gestellt werden, erklärte Bush unter dem Applaus der Opferangehörigen. Und der Präsident enthüllte, wie er sich vorstellt, das Urteil des Obersten Gerichtshofes der USA vom Juni diesen Jahres umzusetzen. Dieser hatte erklärt, die ursprünglich von der Regierung geplanten Militärtribunale zur Aburteilung von Terrorgefangenen in Guantánamo seien sowohl mit der US-Verfassung als auch mit den Genfer Konventionen unvereinbar. Bush reduzierte die Essenz des Urteils schlicht auf die Formel, das Oberste Gericht habe Militärtribunale grundsätzlich für angemessen erklärt, aber verlangt, dass der Kongress darüber beschließe. Dementsprechend müsse nunmehr der Kongress – der in rund neun Wochen neu gewählt wird und sich eigentlich mitten im Wahlkampf befindet – möglichst schnell über mehrere Gesetzentwürfe abstimmen, um die Verantwortlichen des 11. September 2001 vor Gericht stellen zu können.

Doch etliche der Kritikpunkte, die sowohl Anwälte und Menschenrechtsorganisationen als auch den Obersten Gerichtshof daran hatten zweifeln lassen, dass die Militärtribunale rechtlichen Mindeststandards entsprächen, finden sich offenbar unverändert auch in dem neuen Vorschlag wieder – so die Möglichkeit, den Angeklagten vom eigenen Prozess auszuschließen oder seiner Verteidigung bestimmtes Beweismaterial vorzuenthalten. Republikanische Senatoren wie John McCain, der sich seit Jahren dafür stark macht, sowohl die Folterpraktiken in US-Gewahrsam abzustellen als auch die Rechtslage in Guantánamo zu klären, zeigten sich von den Ankündigung enttäuscht.

Es ist offensichtlich, dass das Timinig der Bush-Enthüllung mit den bevorstehenden Kongresswahlen zusammenhängt. Beim lange Zeit dominierenden Thema Irakkrieg steht Bush in der öffentlichen Meinung inzwischen auf verlorenem Posten. Der fünfte Jahrestag der Anschläge des 11. September eröffnet ihm nun alle Möglichkeiten, wieder auf das Thema Sicherheit und Terror umzuschalten – und dazu lässt der Präsident keine Möglichkeit aus. Die Ansprache vom Mittwoch im Weißen Haus war bereits die dritte Rede in 72 Stunden, in der Bush an den Krieg gegen den Terror erinnerte. Wenn die Demokraten im Kongress – was von der Sache her geboten wäre – eine überhastete Entscheidung mit rechtlich fragwürdigem Ausgang ablehnen, dürfte ihnen unweigerlich erneut der Vorwurf der Schwäche entgegenschallen.