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Archiv-Artikel

Ratzmann macht den Ströbele

Der Fraktionschef der Grünen will am Kollwitzplatz das erste Abgeordnetenhaus-Direktmandat der Partei im Osten holen. Er setzt auf West-Zuzügler. Auch PDS und SPD haben Westkandidaten

von UWE RADA

Der schwerste Gang steht im noch bevor. „Nächste Woche“, kündigt Volker Ratzmann an, „gehe ich in den Thälmannpark, Klinken putzen.“ Das klingt zwar nicht mehr nach Himmelfahrtskommando, aber dass sich der Fraktionschef der Grünen im Abgeordnetenhaus dabei auch ein paar Abfuhren holen wird, weiß er selbst. Doch Volker Ratzmann hat ein ehrgeiziges Ziel. „Ich will der erste Grüne sein, der im Osten ein Direktmandat für das Abgeordnetenhaus holt.“

Volker Ratzmann also macht auf Hans-Christian Ströbele. Der hat 2002 das Kunststück vollbracht und in Friedrichshain-Kreuzberg das erste Direktmandat für die Grünen im Bundestag geholt. Und wie Ströbele setzt auch Ratzmann auf die Macht der Spraydose. Am Kollwitzplatz, der grünen Hochburg in Prenzlauer Berg, steht ein großflächiges Graffito mit dem Konterfei des 46-Jährigen. Allerdings nicht von Gerhard Seyfried, sondern der Firma Graco GmbH. Eine Auftragsarbeit, aber eine, auf die der Auftraggeber stolz ist. „Bis heute ist da nur ein einziges Tag draufgesprüht“, freut er sich. In Prenzlauer Berg kann selbst Wahlkampf ganz entspannt sein.

Thälmannpark und Kollwitzplatz, das sind die beiden Gegensätze im Wahlkreis Pankow 8, um den das Rennen voll entbrannt ist. Neben Ratzmann rechnen sich auch Elke Breitenbach (Linkspartei.PDS) und Klaus Mindrup (SPD) Chancen aus. „Doch keiner passt besser zum schicken Szenepublikum als Ratzmann“, meint sein Fraktionssprecher Matthias Tang. „Da sehen die Leute sofort, das ist einer von ihnen.“

Tatsächlich hat sich rund um den Kollwitzplatz einiges getan. Kultur heißt jetzt Creative Industries, und der Spielplatz gehört zum Lebensgefühl der Jungfamilien wie die Dachgeschosswohnung sponsered by Mama aus München. Eine Exgewerkschafterin wie Elke Breitenbach hat es da demografiebedingt schwer.

Dennoch rechnet sich auch die PDS-Kandidatin Chancen aus, zumal der Wahlkreis bei der letzten Wahl im Oktober 2001 von dem inzwischen verstorbenen PDS-Politiker Bernd Holtfreter geholt wurde. „Was uns von den Grünen unterscheidet“, sagt Breitenbach, „haben die Leute nicht vergessen. Wir sind nicht die Partei von Hartz IV, und wir sind gegen weitere Privatisierungen.“ Ob die Wähler außerhalb des Thälmannparks deshalb aber auch ihr Kreuz bei der Linkspartei machen?

Eines kann Elke Breitenbach jedenfalls nicht: die Ostkarte spielen. Wie Ratzmann und der SPD-Kandidat Mindrup kommt auch sie aus dem Westen. Bis zur Wende war die HBV-Mitarbeiterin sogar Mitglied bei den Grünen – und lebte zusammen mit ihrem damaligen Lebensgefährten Volker Ratzmann in der Kreuzberger Gneisenaustraße. In jener legendären Polit-WG, in der auch PDS-Wirtschaftssenator Harald Wolf und WASG-Gründer Michael Prütz wohnten. Etwas grün muss es also sein im Prenzlauer Berg von heute, das gilt selbst für die Linkspartei.

Ob es am Ende reichen wird? Matthias Moehl vom Wahlinformationsdienst Election.de sagt ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Ratzmann und Breitenbach voraus – allerdings um Platz zwei. Moehls Prognose zufolge wird die SPD den Wahlkreis gewinnen (siehe Interview).

Klaus Mindrup, der SPD-Kandidat, ist der Einzige der dreien, der es bereits zum zweiten Mal versucht. „Diesmal“, ist er überzeugt, „kann ich es schaffen.“ Und setzt auf das gleiche Milieu wie die Konkurrenten. Der 42-Jährige arbeitet hauptberuflich im Haus der Demokratie – in einem Planerbüro, das sein Geld mit Umweltgutachten verdient.