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Archiv-Artikel

Reform wackelt

Koalitionspolitiker wollen Gesundheitsfonds kippen. SPD-Fraktionschef für schnellen Kabinettsbeschluss

BERLIN ap/dpa ■ Immer mehr Koalitionspolitiker stellen die Gesundheitsreform grundsätzlich in Frage. Trotz einer Absage des Parteivorsitzenden Kurt Beck plädierten die SPD-Landeschefs von Thüringen und dem Saarland, Christoph Matschie und Heiko Maas, am Wochenende für einen kompletten Neuanfang. Auch der Vizechef der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Max Straubinger, forderte eine Abkehr vom Gesundheitsfonds.

„Wir haben jetzt die große Chance, aus Stückwerk eine richtige Reform zu machen“, sagte Maas und forderte: „Das Paket muss grundsätzlich aufgeschnürt werden.“ Der Gesundheitsfonds gebe keinen Sinn, sagte Maas und sprach sich dafür aus, den Einstieg in eine Steuerfinanzierung klar zu regeln. Auch sein thüringischer Kollege Matschie sagte, es sei höchste Zeit, ernsthaft über eine stärkere Steuerfinanzierung zu reden. „Mit dem Gesundheitskompromiss können weder Union noch SPD leben.“

Der CSU-Politiker Straubinger sagte: „Wir sollten die Finanzierungsfrage zurückstellen und im bewährten System weiterfahren.“ Im Fondsmodell würden „Elemente verbunden, die nicht zu verbinden sind“, nämlich die Bürgerversicherung der SPD und die Kopfpauschale der Union. Eine Sprecherin der CSU-Landesgruppe erklärte, dies sei eine Einzelmeinung. Es gebe in der Fraktion und in der Koalition eine klare Beschlusslage.

Die Koalitionsspitzen hatten am Mittwoch entschieden, das Reformgesetz um drei Monate zu verschieben. Dafür soll sich CSU-Chef Edmund Stoiber eingesetzt haben, wie das Magazin Focus aus Koalitionskreisen berichtete. Aus Sicht des bayerischen Sozialministeriums stimme der bisherige Entwurf aus dem Haus von Gesundheitsministerin Ulla Schmidt nicht mit den beschlossenen Eckpunkten überein, sondern stehe „teilweise auch im echten Widerspruch“ dazu. Ohne „deutliche Änderungen“ könne Bayern dem Gesetzentwurf deshalb „nicht zustimmen“, zitiert das Blatt eine Analyse des Landesministeriums.

SPD-Fraktionschef Peter Struck warnte am Wochenende vor den Folgen, die ein Scheitern der Gesundheitsreform für die große Koalition haben könne. „Die Gesundheitsreform ist der Lackmustest dieser Koalition. Sie muss gelingen, damit die Koalition bis 2009 hält“, sagte Struck. „Eine nochmalige Verschiebung können und dürfen wir uns nicht leisten.“ Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) hatte am Freitag angekündigt, Mitte Oktober solle der Gesetzentwurf ins Kabinett kommen. Die Verschiebung auf April 2007 sei vor allem wegen der Beratung in der Länderkammer nötig gewesen.