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Archiv-Artikel

SPD-Wahlkämpfer schwer verletzt

Rechtsextreme treten in Berlin mit Stiefeln auf einen 23-jährigen Bezirksverordneten ein und bedrängen einen CDU-Infostand. Die SPD will ein Sicherheitskonzept beschließen, Vorstandsmitglied Niels Annen fordert neuen Anlauf für ein NPD-Verbot

AUS BERLIN DOMINIK SCHOTTNER

Rund eine Woche vor der Abgeordnetenhauswahl in Berlin haben zwei Rechtsextreme am vergangenen Freitagabend zwei 23 Jahre alte Wahlkampfhelfer der SPD beim Plakatekleben im Berliner Stadtteil Marzahn angegriffen und einen der beiden mit Stiefeltritten gegen den Kopf und ins Gesicht schwer verletzt. Der zweite SPD-Helfer konnte entkommen und Hilfe rufen.

Am Samstag belästigten NPD-Anhänger im Stadtteil Rudow die Besucher eines Informationsstandes der CDU. Lautstark forderten die etwa 20 Rechten Passanten auf, das CDU-Informationsmaterial in bereitgestellte Müllsäcke zu werfen.

Klaus Wowereit, Regierender Bürgermeister und SPD-Spitzenkandidat, nannte den Angriff auf seine Genossen eine „Zumutung für die Demokratie“. Der CDU-Abgeordnete Sascha Steuer sagte der taz, die Aktion der NPD in Rudow habe ihn durchaus beängstigt, wenngleich niemand körperlich angegriffen wurde.

Die Vorfälle vom Wochenende sind Beispiele für die aggressiver werdende Wahlkampfstrategie des rechtsextremen Lagers um die NPD. Wurden Anhänger demokratischer Parteien vor einer Woche auf Veranstaltungen von den Rechten „nur“ fotografiert und verbal attackiert, so ist es jetzt sogar der Tritt mit dem Stiefel, der wohl signalisieren soll: „Ihr gehört hier nicht her!“

Der 23 Jahre alte Student Felix F., der für die SPD im Bezirksparlament Marzahn-Hellersdorf sitzt, liegt seit dem Angriff im Krankenhaus. Die 20 und 21 Jahre alten Angreifer wurden kurz nach der Tat festgenommen. Wegen Gewaltdelikten und der Verwendung von Symbolen verfassungsfeindlicher Organisationen waren sie der Polizei bereits bekannt. Nachdem ihnen Blut und ihre Fingerabdrücke abgenommen worden waren, wurden sie jedoch wieder freigelassen – vorerst. Bereits am Samstag nahm die Polizei die beiden erneut fest, um sie am frühen Sonntagabend einem Haftrichter vorzuführen.

In einer Pressemitteilung forderte SPD-Generalsekretär Hubertus Heil die Wähler auf, den Nazis die „rote Karte“ zu zeigen: „Dies sind keine harmlosen Protestparteien. Dies sind brutale Gewalttäter.“ SPD-Vorstandsmitglied Niels Annen sagte, die Rechtsextremen gäben sich „keine Mühe mehr, die Gewaltbereitschaft zu verschleiern“. Um die „Feinde der Demokratie“ zu bekämpfen, befürwortet Annen einen erneuten Versuch, die NPD gerichtlich zu verbieten. Da dies bereits einmal gescheitert ist, müsse ein zweiter Versuch „genau vorbereitet“ werden und zur „richtigen Zeit“ erfolgen.

In Rudow waren alle demokratischen Parteien mit Informationsständen vertreten. Auch die NPD war vor Ort, jedoch, wie CDU-Mann Steuer der taz sagte, „um die Ecke. Die standen nicht mit uns in einer Reihe.“ Irgendwann seien etwa 20 schwarz gekleidete Männer aufgetaucht, die die Passanten bedrängten und lautstark aufforderten, das Informationsmaterial der CDU, nicht aber der anderen Parteien in Müllsäcke zu werfen.

Da sich die NPD-Anhänger, unter ihnen auch ein Kandidat für die Abgeordnetenhauswahl, aus strafrechtlicher Sicht nichts zu Schulden kommen ließen, also niemanden tätlich angegriffen haben, konnte die Polizei nicht eingreifen. Ein Sprecher sagte der taz, in bestimmten Gebieten Berlins müsse die Polizei mehr Präsenz zeigen als in anderen. In jüngster Zeit habe sich das Phänomen verstärkt.

Der Juso-Bundesvorsitzende Björn Böhning sagte, seine Partei teile der Polizei inzwischen vorab mit, wo sie Veranstaltungen abhalten werde. Außerdem berät der Bundesvorstand derzeit über ein Sicherheitskonzept für die Wahlkämpfer.