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Archiv-Artikel

„Problematischer Türöffnercharakter“

taz: Wie bewerten Sie den geplanten Einsatz der Bundesmarine vor der libanesischen Küste?

Otfried Nassauer: Der Einsatz zur Unterbindung des Waffenschmuggels sieht ziemlich überdimensioniert aus, zumal ja auch Schiffe anderer Nationen da sind. Durchführbar ist er damit. Es kann sein, dass die deutsche Marine neben Schnellbooten, die diese Schiffe stoppen sollen, auch Fregatten braucht, damit sie Schmugglerschiffe technisch überhaupt boarden kann. Die Schnellboote sind an Deck so voller Waffen, dass es keinen Platz für das Boardingboot gibt. Den hat eine Fregatte. Der Einsatz zeigt aber auch, dass Deutschland im Nahen Osten nicht „neutral“ sein kann, sondern spezifisch zur Umsetzung einer gegen die Hisbollah gerichteten Passage der UN-Resolution aktiv wird. Die Israelis schmuggeln ja keine Waffen nach Libanon.

Die deutsche Marine soll jetzt auch innerhalb der Sechs-Meilen-Zone kontrollieren dürfen, dafür muss aber je ein libanesischer Offizier an Bord sein. Ist das sinnvoll?

Nur dann, wenn die deutsche Marine auch in der Sechs-Meilen-Zone operiert, kann sie den Waffenschmuggel unterbinden. Ein libanesischer Verbindungsoffizier an Bord hat nicht die Möglichkeit, einen solchen Einsatz zu kompromittieren, er ist zur Wahrung der nationalen Souveränität und zur Koordination mit Libanons Regierung da, hat also symbolischen Charakter. Würde der Offizier Schmuggelschiffe warnen, hätte das ohnehin nur den Effekt, dass diese die Gefahrenzone verlassen. So kämen Waffen nicht an Land.

Nach von der Bundesregierung dementierten Informationen von Spiegel Online hat das Kanzleramt Libanons Regierung die Anfrage an die UNO nach deutschen Schiffen vorformuliert, um den Prozess zu beschleunigen. Was könnte dahinterstecken?

Die Bundesregierung erweckt schon den Eindruck, dass sie sich um diesen Einsatz reißt und ihn unbedingt will. Das kann verschiedene Gründe haben. Zum einen, dass die Bundeswehr erstmals im Nahen Osten zum Einsatz kommen will. Zudem kann das Vorformulieren helfen, dass nur Kapazitäten angefordert werden, die die Bundeswehr auch wirklich hat, und die Einsatzform auch wirklich den Interessen Deutschlands entspricht. Und schließlich setzt sie ein klares Signal, dass Deutschland für das Existenzrecht Israels einsteht.

Wofür steht dieser Einsatz in der Debatte um Auslandseinsätze der Bundeswehr?

Zunächst stellt sich die Frage nach der Perspektive. Wenn Frankreich die Führung der Unifil-Truppe abgibt, wird wohl Italien übernehmen, aber wer folgt danach? Womöglich Deutschland, und dafür könnte der Marineeinsatz der Wegbereiter sein. Wenn deutsche Truppen dann auch an Land aktiv sind, können sie aufgrund der deutschen Geschichte nicht neutral agieren. Insofern hat dieser Marineeinsatz einen problematischen Türöffnercharakter.

Zudem wird bei künftigen Debatten über weitere Bundeswehreinsätze das Argument kommen, dass, wenn die Bundeswehr schon im Nahen Osten war, sie überall eingesetzt werden kann. Dann gibt es keine Tabus mehr. INTERVIEW: SVEN HANSEN