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Archiv-Artikel

Mit Hightech und Heckenschere

VERDÄCHTIG Observierung, Internetrecherche, Lauschabwehr – die Tätigkeiten eines Detektivs sind vielfältig. Christian Taute ist Geheimnissen auf der Spur

„Folgen Sie mir unauffällig“, sagt Christian Taute mit einem Schmunzeln und schließt die Gartenpforte auf. Am Haus vorbei führt er durch die Hintertür in sein Büro, das im Keller einer Backsteinvilla am Rand von Berlin liegt. Taute, 34, ist Privatdetektiv. Der stämmige Ostberliner, der seine Karriere im Wachschutz und bei der Bundeswehr begonnen hat, trägt Jeans und Hemd, dazu eine Anzugweste. Wer bei der Observation unerkannt bleiben will, muss vor allem eines können: in der Masse verschwinden. Zur Beschattung nimmt er deshalb nur das Nötigste mit: Kamera, Fernglas, Bleistift, Block, Taschenlampe. Und eine Heckenschere – falls mal Zweige die Sicht auf das Zielobjekt verdecken.

Doch dass Taute überhaupt rausgeht, kommt immer seltener vor. Einen Großteil seiner Zeit verbringt er heute hinter dem Bildschirm. Regelmäßig besucht er außerdem Fortbildungen, um sich über die neuesten technischen Entwicklungen bei der Spionageabwehr zu informieren. „Seit dem NSA-Skandal kommen immer mehr Unternehmer, die sich vor Angriffen durch Konkurrenten schützen wollen.“ Taute stellt sicher, dass Konferenzräume abhörsicher sind – mit modernsten Messgeräten sucht er nach versteckten Wanzen. Häufig sind auch die Smartphones der Teilnehmer eine Schwachstelle. Die Geräte sind ebenso anfällig wie Computer, doch kaum einer benutzt Firewalls, um sie vor Hackern zu schützen. Deswegen stellt Taute seinen Kunden zum Beispiel abhörsichere Koffer zur Verfügung, in die die Teilnehmer vor einem Meeting ihre Handys ablegen können.

Zu Tautes Kunden zählen aber nicht nur Unternehmen, sondern auch Menschen, die ihre leiblichen Eltern oder die erste Liebe wiederfinden wollen. Manchmal auch misstrauische Liebhaber, die Angst haben, dass der Partner fremdgeht. Das Geschäft mit Überwachungszubehör boomt. Einen Schlüsselanhänger mit Kamera gibt es schon für 10,99 Euro. Beliebt sind auch günstige Abhörgeräte: „Eine Klientin hat mir einmal acht Wanzen auf den Tisch geknallt, mit der Bitte, die in ihrer Wohnung einzubauen“, berichtet Taute. Doch das Gesetz schreibt vor, was erlaubt ist und was nicht: Abhören, SMS lesen oder Privatgrundstücke betreten darf Taute nicht. Menschen beobachten und Verdachtsmomente sammeln dagegen schon. Doch vielen Kunden ist das zu wenig. „Die NSA macht das doch auch“ oder „in meinen vier Wänden kann ich machen, was ich will“ – solche Argumente hört Taute immer wieder.

„Wenn es um die eigenen Interessen geht, haben die Menschen kaum Unrechtsbewusstsein“, meint er. Ein vager Verdacht, dass der eigene Partner fremdgeht, schon sind viele bereit, zu unrechtmäßigen Mitteln zu greifen. Wenn deutlich wird, dass ihn jemand nur als Stalker missbrauchen will, lehnt Taute auch mal einen Auftrag ab. „Ich verrate keine Geheimisse, ich decke die Wahrheit auf“ – darin sieht er seine Mission. Doch die Wahrheit kann auch überraschen – etwa dann, wenn an einem Verdacht gar nichts dran ist. „Manche Auftraggeber wollen gar nicht glauben, dass sie nicht betrogen werden. Da heißt es dann: ‚Wie, der war wirklich nur im Fitnesscenter?‘“ In anderen Fällen bedeutet Wahrheitsfindung, dort hinzusehen, wo die Behörden weggeschaut haben. Einer seiner Auftraggeber war ein wegen Mordes verurteilter Häftling, der seine Unschuld beweisen wollte. Dort, wo die Beweiskette eine Lücke aufweist, setzt Taute an. Für manche ist er daher die letzte Hoffnung.

Retter, Enthüller, Verräter – manchmal verschwimmen die Grenzen. „Klar, Grauzonen gibt es“, sagt Taute. „Wer ein Geheimnis aufdecken will, findet Mittel und Wege.“ Seine Aufgabe sei es, zwischen berechtigtem und unberechtigtem Interesse zu unterscheiden. Doch die Gefahr bleibt, dabei instrumentalisiert zu werden. Denn bei aller Empörung über staatliche Lauschangriffe ist die Macht, die von geheimem Wissen ausgeht, für den Einzelnen verführerisch. „Letztlich ist es doch so“, schließt Taute, „Information schadet immer nur denen, die sie nicht haben.“

JULIA LEY, SIMONE GRÖSSING