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Archiv-Artikel

DOPING (1): AUCH FÜR DEN SPORTBETRUG GILT DIE VERHÄLTNISMÄSSIGKEIT Nicht mit Kanonen auf Spatzen schießen

„Doping ist kein Kavaliersdelikt, sondern Betrug an den Idealen des Sports“, meint Bayerns Ober-Idealist Edmund Stoiber. Er will deshalb mit Strafrecht, Kronzeugenregelung und Telefonkontrolle gegen dopende Sportler vorgehen. Einen entsprechenden Gesetzentwurf hat die Landesregierung gestern beschlossen.

Wenn Helden wie der Tour-de-France-Gewinner Jan Ulrich als Manipulatoren entlarvt werden, ist die Enttäuschung des Sportfans verständlich. Aber wird das Doping dadurch schon zu einem Fall fürs Strafrecht? Was ist mit der Enttäuschung der Jugendlichen, die erfahren, dass ihre Stars im Fernsehen oft Playback singen? Wer schützt die Wähler einer Partei davor, dass sie manche Wahlversprechen nicht einhalten wird? Sollen auch Liebesschwüre künftig mit Sanktionen durchgesetzt werden? Ideale sind wichtig, aber kein geeignetes Schutzgut für das Strafrecht.

Das Verlockende am Einsatz des Strafrechts sind die scheinbar besseren Ermittlungsmöglichkeiten. Doch Staatsanwälte können nicht bei jeder Straftat Telefone abhören und E-Mails mitlesen. Auch hier gilt das Prinzip der Verhältnismäßigkeit: Der Staat soll nicht mit Kanonen auf Spatzen schießen. Es kann nicht sein, dass Grundrechte wie das Fernmeldegeheimnis eingeschränkt werden, nur weil bei der bayerischen Meisterschaft im Wildwasser-Kajak möglicherweise zu viel unerlaubter Hustensaft getrunken wurde.

Bei der Tour de France und bei der Leichtathletik-WM, deren Skandale alljährlich immer neue Debatten auslösen, geht es um viel Geld. Doch der Betrug ist heute schon strafbar, auch im Sport. Wenn aber im Einzelfall die Täuschung, der Vermögenschaden, der Vorsatz oder andere Tatbestandsmerkmale des Betrugs nicht beweisbar sind, dann sollte nicht auf neue ominöse Rechtsgüter wie einen „Schutz des Sportethos“ ausgewichen werden. Zum Schutz der Ideale genügt es völlig, den ertappten Helden die Liebe zu entziehen. Dann bekommen sie auch keine millionenschweren Werbeverträge mehr. Und das Fernsehen wird sich wohl doch irgendwann einmal fragen, warum es derartige Pharma-Festspiele noch übertragen soll.

CHRISTIAN RATH