Bei der Bahn wird gestreikt

Weil die Tarifverhandlungen gescheitert sind, kündigen die Gewerkschaften erste Aktionen für den 28. September an. Das erhöht den Druck auf die politischen Verhandlungen um den Börsengang

AUS BERLINSTEPHAN KOSCH

Bahnfahrer müssen sich auf Verspätungen und Zugausfälle durch Warnstreiks einrichten. „Nach unseren Einschätzungen wird es die ersten Aktionen am 28. September geben“, sagte der Vorsitzende der Bahngewerkschaft Transnet, Norbert Hansen, gestern in Berlin. Kurz zuvor hatte er erklärt, die Verhandlungen um die Fortführung des Tarifvertrages nach der Privatisierung der Bahn seien gescheitert.

Eigentlich sichert die gegenwärtige Vereinbarung zwischen Gewerkschaft und Management den 130.000 tariflich Beschäftigten bei der Bahn noch bis 2010 die Arbeitsplätze. Sie schließt betriebsbedingte Kündigungen aus. Allerdings wollen die Gewerkschaften diese Zusage auch für den Fall garantiert haben, dass das Unternehmen im Zuge des Börsengangs sein Schienennetz an den Bund abgeben muss. Bahnchef Hartmut Mehdorn lehnt solche Verhandlungen aber ab. „Wir sehen keine Möglichkeit, den Gewerkschaften umfassende Zusagen zur Beschäftigungssicherung für alle möglichen Privatisierungsmodelle zu machen.“

Dabei sind sich Mehdorn und Hansen eigentlich einig bei der Frage, wie die Bahn an die Börse gebracht werden soll. Beide sind für den sogenannten integrierten Konzern, bei dem das Schienennetz weiterhin in der Hand der Deutschen Bahn liegen soll. Das würde Mehdorn die Kontrolle der Wettbewerber auf der Schiene erleichtern und den DB-Konzern um Milliarden wertvoller machen, als wenn Netz und Betrieb getrennt würden. Die Gewerkschaften Transnet und GDBA befürchten eine „Zerschlagung des Konzerns“ und sehen ihre Einflussmöglichkeiten und die tariflichen Sicherheiten gefährdet.

Die Politik hat noch nicht entschieden, in welcher Form Bahn und Netz privatisiert werden sollen. Nach einer Verhandlungsrunde vor drei Wochen auf Ministerebene unter Beteiligung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) scheint die komplette Trennung von Netz und Betrieb zwar vom Tisch zu sein. Doch noch ist unter anderem das „kleine Eigentumsmodell“ im Gespräch. Dabei bleibt das Netz im Eigentum des Bundes, die Bahn bekommt aber die Verfügungsgewalt. Kritiker wie der Grünen-Verkehrspolitiker Winfried Hermann sehen in diesem Modell deshalb einen „Börsengang de luxe“ für die Deutsche Bahn. Im Gespräch sei, dass die Bahn für 30 Jahre das Schienennetz betreiben soll. Das bedeute „null Risiko“ für die Bahn, weil das Netz mit all den dann möglicherweise entstandenen Schäden an den Bund zurückfalle. Gleichzeitig könne die Bahn unliebsame Konkurrenz weiter von der Schiene fernhalten.

Doch offenbar wollen die Bahngewerkschaften auf Nummer sicher gehen. Sie berufen sich dabei auf eine Einschätzung des ehemaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder (SPD) und des früheren sächsischen Ministerpräsidenten Kurt Biedenkopf (CDU), die während der Tarifverhandlungen als Schlichter fungierten. Ihr Urteil: Der Tarifvertrag hat nur Bestand, wenn die Struktur des Konzerns bei dem für 2008 geplanten Börsengang nicht tief greifend verändert wird. Das Eigentumsmodell stelle aber eine solche Änderung dar.

Nun drohen also Streiks, die den Druck auf die politischen Verhandlungen erhöhen. Eine „durchsichtige Schmierenkomödie“ nennt der FDP-Verkehrspolitiker Horst Friedrich die gesamten Tarifverhandlungen. Nachdem die bestellten Schlichter einen „Börsengang à la Mehdorn“ empfohlen hätten, mussten die Tarifverhandlungen scheitern, damit nun mit Streik gedroht werden könne. „Das ist politisch töricht“, sagt Friedrich. „Regierung und Bundestag werden sich nicht erpressen lassen.“ Auch der Vorsitzende des Bundestagsverkehrsausschusses, Klaus Lippold (CDU), warnte vor Druck auf das Parlament. Der Beschäftigungspakt könne auch bei einer Loslösung des Schienennetzes Bestand haben, wenn Betriebsführung und Bewirtschaftung bei der Bahn bleiben.