: „Wir wundern uns wirklich“
UNTERKUNFT In Prora entsteht die „längste Jugendherberge der Welt“. Ein Gespräch mit Karin Löhnert vom Jugendherbergswerk über Nazi- und DDR-Geschichte und über die touristische Zukunft des Megaklotzes
■ geb. 1962, ist seit drei Jahren Vorstandsvorsitzende des Deutschen Jugendherbergswerks (DJH), Landesverband Mecklenburg-Vorpommern. Die Tourismusmanagerin kommt ursprünglich aus Hamburg.
INTERVIEW EDITH KRESTA
taz: 8,1 Millionen Euro Fördergeld für den Ausbau der Jugendherberge im Haus V des Kolosses von Prora. Wann wird das Projekt fertiggestellt sein?
Karen Löhnert: Im nächsten Juni. Wir sind sozusagen die Initialzündung zur Wiederbelebung des Blocks. Der Block wurde in mehrere Teile geteilt und verkauft. Eigentlich ist es bisher nur für diesen Block V gelungen, einen Bebauungsplan zu entwickeln. Er gehört dem Landkreis Rügen, aber das Projekt wird nur deshalb umgesetzt, weil viele Jugendliche nicht nur die Idee hatten, sondern auch dafür gekämpft haben, dass sie Wirklichkeit wird.
Was entsteht in Block V?
Es entstehen insgesamt 96 Zimmer. Es sind 400 Betten mit der Möglichkeit, auf 500 Betten aufzustocken. Ungefähr 60 Prozent der Zimmer werden eigene Dusche und WC haben. Es gibt viele Tagungsräume, was eine Ganzjahresnutzung erlaubt.
Der Verein Denk-MAL-Prora wirft unter anderem dem Jugendherbergswerk vor, Prora als „Kraft durch Freude“-Bad zu vermarkten und die DDR-Geschichte des Baus zu unterschlagen. Was sagen Sie dazu?
Wir wundern uns wirklich. Nur in diesem Jahr ist im Prora-Zentrum eine dreimonatige Sonderausstellung zum Thema Bausoldaten der DDR gelaufen. Dann gab es die Ausstellung „Prora mehr als nur ein schöner Strand“,wo auch die Geschichte der Bausoldaten, aber auch andere DDR-Themen angesprochen wurden. Es ist nicht so, dass die DDR Zeit totgeschwiegen wird. Auch in unserer Verkaufsbroschüre steht drin, wie das Gebäude in der DDR genutzt wurde. Auch über Bausoldaten wird offen geredet. Ich kann keinerlei Negierung der DDR-Vergangenheit sehen.
Das Deutsche Jugendherbergswerk ist als gemeinnützig anerkannter Verband Träger der Jugendhilfe. Worin besteht Ihr Engagement?
Wir sind Beherbergungsbetrieb mit einem Anspruch an inhaltliche Angebote. Das unterscheidet uns von der normalen Hostelszene. Auch in anderen Jugendherbergen wie Sachsenhausen oder Ravensbrück geht es uns auch darum, die Geschichte des Orts, an dem wir uns aufhalten, zu beleuchten. Gegenüber Kindern und Jugendlichen, die neben jungen Familien weiterhin unsere Hauptzielgruppe sind, haben wir einen Bildungsauftrag.
Der nördlichste Teil von Prora wird nun vom Jugendherbergswerk genutzt. Was passiert mit dem langen Rest?
Der andere Bereich des immerhin 4,5 Kilometer langen Kolosses steht im Moment größtenteils leer. Teilweise wird er von einigen kleineren Anbietern genutzt für Ausstellungen, Diskotheken und Ähnliches.
Es gibt kein Gesamtkonzept?
Nein, jeder Käufer entwickelt sein Konzept. So sollen Appartements in Richtung Binz entstehen. Es gibt die Idee eines Sporthotels im mittleren Teil. Was Genaues weiß man nicht.
Ist die Restaurierung aufwendig?
Es scheint sehr aufwendig zu sein. Interessanterweise rühren viele Probleme daher, dass der Bau, der auf den ersten Blick völlig normiert und langweilig aussieht, bei der Vermaßung alles andere als einheitlich ist. Die Fensterrahmen sind nicht einheitlich, genauso wenig die Türen. So braucht man in vielen Fällen Einzelanfertigungen.
Wie verortet sich die Jugendherberge Prora selbst im Ferienmarkt Mecklenburg-Vorpommern?
Zum einen sehen wir uns als internationaler Treffpunkt der Jugend aller Ostseeanrainerstaaten. Aufgrund der fantastischen Lage am Strand sind wir aber auch eine ideale, kostengünstige Familiendestination. Familien kommen sehr gern an die Ostsee. Unsere Familienzimmer sind in allen Jugendherbergen des Landes – es gibt 550 in ganz Deutschland und 28 hier in Mecklenburg-Vorpommern – größtenteils mit eigenem Bad ausgestattet
Was kostet ein entsprechendes Familienpauschalangebot?
Da gibt es Wochenendpauschalen mit Kindern und Ausflugsprogramm ab 150 Euro.
Preiswerter Urlaub kommt immer gut an. Welche anderen Qualitäten verkörpert das Jugendherbergswerk?
Respekt, Toleranz aber auch Mut und Neugier. Am häufigsten verbinden unsere Kinder und Jugendlichen mit dem Jugendherbergswerk „Gemeinschaft erleben, Freundschaften schließen, neue Leute kennenlernen“ – das ist unsere Kernkompetenz, die wir auch ins Logo übernommen haben. Darin sind wir nicht austauschbar.