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Archiv-Artikel

Zurück in Krieg und Winter

Senat und CDU halten an Abschiebungen nach Afghanistan fest. Nicht einmal einen sechsmonatigen Aufschub soll es geben. Auch nicht für die Familie Amiri, die vor fünf Jahren nach Hamburg floh

VON SVEN-MICHAEL VEIT

Die Abschiebungen von Afghanen aus Hamburg werden nicht gestoppt. Ein von der SPD unterstützten Antrag der GAL, „aus humanitären Gründen“ zumindest für sechs Monate über den Winter Abschiebungen in das Bürgerkriegsland auszusetzen, wurde am Abend von der CDU-Mehrheit in der Bürgerschaft abgelehnt. Damit schwinden auch die Chancen der Familie Amiri. Sie und etwa 100 weitere in der Hansestadt lebende Familien sind von der Ausländerbehörde zur Ausreise aufgefordert worden. „Mit diesem harten Kurs steht die Stadt bundesweit allein da“, kritisiert die GAL-Abgeordnete Antje Möller, die sich für die Familie einsetzt.

Seit fünf Jahren leben die Amiris in Hamburg, alle vier Kinder gehen in Barmbek zur Schule. „Alle meine Freunde sind Deutsche“, sagt die zehnjährige Ellaha, die sich an ihre Kindheit in Kabul kaum noch erinnern kann. Ihr Vater Aziz aber sehr wohl: „Ich habe 20 Jahre im Bürgerkrieg gelebt“, sagt der 46-Jährige, der beim afghanischen Fernsehen als Kameramann arbeitete, bis die Taliban kamen. „Ich will nicht, dass meine Kinder in den Krieg zurückgeschickt werden.“

Mutter Marjam, einst Angestellte in einem Ministerium, mag sich ein Leben in dem vorderasiatischen Land gar nicht mehr vorstellen, schon gar nicht für sich und ihre Tochter: „Für Frauen und Mädchen ist Afghanistan nur schrecklich“, weiß sie.

„Immer mehr Gewalt gegen die Zivilbevölkerung, immer mehr gezielte Angriffe auf Schulen, das große Ausmaß der Gewalt gegen Frauen: all dies macht deutlich, dass Abschiebungen nach Afghanistan nicht zu verantworten sind“, fasst Möller die Situation zusammen.

Allein in diesem Jahr hat eine englische Studie 103 bewaffnete Angriffe und Überfälle auf Schulen, Lehrer und Schüler gezählt, von 350 neuen Schulen, die mit internationaler Hilfe eingerichtet wurden, seien fast 200 schon wieder geschlossen worden, berichtet Möller, darunter fast alle Mädchenschulen: „Die Konflikte sind nicht befriedet, sondern noch verstärkt worden“.

Auch außerhalb der Hauptstadt Kabul sind nach Presseberichten in diesem Jahr fast 1.800 Menschen getötet worden. Darunter sind auch 80 Soldaten der internationalen Friedenstruppe, sodass inzwischen eine Debatte um die Sicherheit der dort stationierten Bundeswehrsoldaten geführt wird. Beweise genug dafür, findet die Grüne, „dass Abschiebungen nach Afghanistan nicht zu verantworten sind“.

Die Innenbehörde sieht hingegen „keine generellen Rückkehrhindernisse“, so ihr Sprecher Marco Haase. Das gilt auch für die Amiris, deren Duldung Ende November ausläuft. Ihnen droht dann nicht nur die Abschiebung in den Bürgerkrieg, sondern auch noch in den afghanischen Winter.