Wohlfahrtsverband sieht geschüttelte Zahlen

HARTZ IV Der Paritätische Wohlfahrtsverband rügt Datenbasis für den neuen Regelsatz von 364 Euro

Mit der früheren Referenzgruppe läge der Regelsatz bei 415 Euro

BERLIN taz | Der Paritätische Wohlfahrtsverband hat am Freitag bekräftigt, dass die Berechnungsgrundlage für die neuen Hartz-IV-Sätze voraussichtlich nicht verfassungskonform sei. Denn: „Dass durch das Bundesarbeitsministerium vorgeschlagene Verfahren ist weder nachvollziehbar noch sach- oder realitätsgerecht“, sagte Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes. Die Regierung hatte angekündigt, den Regelsatz für Erwachsene um nur fünf Euro auf 364 Euro monatlich zu erhöhen.

Was die statistischen Grundlagen, und da vor allem die für die Kinderregelsätze betreffe, sehe der Gesetzentwurf „so löchrig aus wie ein Schweizer Käse“, sagte Schneider. Der Verband hat festgestellt, dass für die 14-bis18-Jährigen allein 75 der insgesamt 82 ermittelten Einzelpositionen für Konsumausgaben Positionen mit „hoher statistischer Unsicherheit“ seien. Soll heißen: Die gewonnenen Stichproben in der Referenzgruppe waren so klein, dass sie unter Statistikern als „nicht valide“ gelten.

So geht aus dem Gesetzentwurf des Bundesarbeitsministeriums (BMAS) beispielsweise hervor, dass weniger als 25 Haushalte im Erhebungszeitraum von drei Monaten ein Fahrrad gekauft haben. Wie viel Geld diese wenigen Haushalte dafür im Durchschnitt ausgegeben haben, wird, anders als bei Posten, für die größere Stichproben vorliegen, im Gesetzentwurf nicht aufgeführt. Das BMAS jedoch kennt die Zahl – und leitet aus ihr einen Geldbetrag ab, den sie den 14- bis 18-Jährigen zuspricht. „Eine geschüttelte Zahl“, nennt Schneider das. Die Datengrundlage sei alles andere als „verlässlich“ oder „realitätsgerecht“. Das sehe man auch daran, dass die Ermittlung des Regelsatzes für 14- bis 18-Jährige auf insgesamt nur 168 Haushalten basiere.

Kritik übte Schneider an der vom BMAS neu gewählten Referenzgruppe. Statt wie früher die unteren 20 Prozent der nach ihrem Nettoeinkommen geschichteten und in der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) ermittelten Haushalte hatte das Bundesarbeitsministerium nur die untersten 15 Prozent herangezogen, um daraus den Regelsatz für Erwachsene abzuleiten. Dies werde an keiner Stelle des Gesetzentwurfs wissenschaftlich fundiert begründet, „ist also weder sachgerecht noch nachvollziehbar“, sagte Schneider.

Laut Paritätischem Wohlfahrtsverband müsste der monatliche Regelsatz für Erwachsene auf 415 Euro steigen. Darin sind Ausgaben für Alkohol und Tabak, aber auch für den Besuch einer Gaststätte oder für Garten- und Campingausrüstung wieder enthalten, die das BMAS gestrichen hatte. Der hochgerechnete Wert bezieht sich auf die 20-prozentige statt der 15-prozentigen Referenzgruppe. EVA VÖLPEL

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