: Jenseits von Samba und Fußball
WUNSCH UND WIRKLICHKEIT Die gängigen Klischees von Brasilien hinterfragt ab Freitag das kleine Filmfestival Cinebrasil im Hamburger Metropolis-Kino
In unseren Köpfen ist Brasilien eher ein Sehnsuchtsort, als ein real existierender Staat. Das Kino hat bei dieser Entwicklung gehörig mitgeholfen, aber das Kino kann auch andere Bilder liefern, die dem vielschichtigen Land eher gerecht werden. Bereits im neunten Jahr will der Festivalorganisator Sidney Martins mit „Cinebrasil“ so die öffentliche Wahrnehmung von seinem Heimatland korrigieren.
Am Freitag wird das Festival in Hamburg – dann doch wieder „typisch brasilianisch“ – durch eine Tanz- und Musikperformance des „Capoeira-Meisters“ Joje Watutsi eröffnet. Danach wird der Regisseur Vinicius Reis seinen Spielfilm „Noite de Reis“ („Königsnächte“) von 2012 vorstellen. Er erzählt darin von einer jungen Frau, die zusammen mit ihrer Tochter den tragischen Unfall ihres Sohnes bewältigen muss. Bei einem Straßenfest in einem kleinen Küstenort kommt es zu einer Situation, durch die sie ihre Trauer überwindet.
Erschütterte Welt
„As melhores coisas do mudo“ („Die besten Dinge der Welt“) von Lais Bodanzky ist eine der im Kino so beliebten Coming-Of-Age-Geschichten. Der 15-jährige Protagonist Hermando lebt in Sao Paulo in sozial gesicherten Verhältnissen, spielt Gitarre, geht auf Parties und flirtet mit Mädchen. Seine heile Welt wird dadurch erschüttert, dass sein Vater die Familie verlässt, um mit einem anderen Mann zusammenzuleben.
Wie ein Gegenentwurf dazu wirkt „Era uma vez“ („Es war einmal“) von Breno Silveira. Auch hier ist der Held ein junger Mann, doch er lebt in einer Favela in Ipanema und hat ganz andere Sorgen. Er musste erleben, wie einer seiner Brüder von Drogendealern getötet wird und verkauft danach Hot Dogs am Strand, um nicht kriminell zu werden. Dort verliebt er sich in ein Mädchen aus gutem Hause und merkt, wie unüberbrückbar die sozialen Unterschiede sind.
Die deutsch-brasilianische Koproduktion „Trampolin do Forte“ („Das Sprungbrett“) von Joao Rodrigo Mattos zeigt ebenfalls, wie hart der Überlebenskampf in den Armenvierteln des Landes ist. Ein Zwölf- und ein Zehnjähriger beschließen, einen Verbrecher, der eine 10-jährige Freundin von ihnen vergewaltigt hat, zu stellen. Die Kriminalgeschichte ist auch ein dokumentarisches Stadtporträt von Salvador in der Provinz Bahia.
„Girimunho“ („Der Wirbel“), mit dem das Programm am Dienstag abschließt, ist ebenfalls zum Teil mit deutschen Fördergeldern finanziert. Clarissa Campolina zeigt in ihrem Film, dass der magische Realismus keine Erfindung von Schriftstellern ist. Im Sertao, dem Hinterland Brasiliens, verschmilzt für die Menschen das alltägliche Leben mit Magie und Träumen. Immerhin sechs Jahre lang hat die Regisseurin an diesem poetisch-philosophischen Porträt einer Landschaft und ihrer Menschen gedreht. HIP
Cinebrasil 2014: 21. bis 24. März, Metropolis, Hamburg