: Aus dem Krankenhaus ins Flugzeug
BLEIBERECHT Ein Appell des Flüchtlingsrats verhallt: Niedersachsens Innenministerium hält an der Abschiebung eines Flüchtlings fest, der nach einem Suizidversuch in der Psychiatrie war
Aus einer Göttinger Psychiatrie ist gestern ein Flüchtling zur Abschiebung abgeholt worden. Nach Angaben des Flüchtlingsrats, der dagegen protestiert hatte, war der 33-jährige Palästinenser aus Syrien über Polen nach Niedersachsen gelangt. Er soll nun nach Polen gebracht werden, wo er erstmals Asyl beantragt hatte. So sieht es das europäischen Dublin-III-Abkommen vor.
Seit einem einem Suizidversuch war Motasem N. in der Psychiatrie untergebracht. Auf Veranlassung der Ausländerbehörde Northeim soll er in ärztlicher Begleitung in Polen erneut in eine Psychiatrie gebracht werden. Seit N. über die bevorstehende Abschiebung informiert worden sei, verweigere der an Hepatitis und der Blutkrankheit Thalassanämie Leidende jegliche Medikation, erklärt der Flüchtlingsrat.
„Es ist ein Unding, dass Flüchtlinge aus Syrien überhaupt im Rahmen von Dublin III abgeschoben werden, während wir uns gleichzeitig bemühen, syrische Flüchtlinge bei uns aufzunehmen“, erklärt Kai Weber vom niedersächsischen Flüchtlingsrat, der sich gestern mit einem Appell an das niedersächsische Innenministerium gewandt hatte. Mit der Abschiebung werde zudem die Trennung einer Familie in Kauf genommen: N.s Frau bleibe in Göttingen zurück, wo sie nach einem Suizidversuch ebenfalls in einer Klinik untergebracht sei.
Dort weist man auf taz-Anfrage hin jede Kritik zurück: Man bemühe sich zwar um Abschiebungen nach humanitären Grundsätzen, erklärt eine Sprecherin von Innenminister Boris Pistorius (SPD). Im Fall N. handele es sich allerdings gar nicht um eine Abschiebung, sondern eine „Rücküberstellung“ – zuständig sei dafür ausschließlich das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Zwar führe die örtliche Ausländerbehörde den Vorgang durch, das Land habe aber keine Entscheidungsbefugnisse.
Zudem handelt es sich bei N. und seiner Frau der Ministeriumssprecherin zufolge nicht um syrisch-palästinensische, sondern jordanische Flüchtlinge, auch sei das Paar offiziell gar nicht verheiratet und habe in Polen mit falschen Angaben Asyl beantragt. (taz/epd)