: Wo Rio feiert
Die Reichen und Schönen, vor allem die Cariocas, die Bewohner von Rio, und viele Argentinier kommen nach Búzios. Der Ort mit seinen 23 Stränden rühmt sich, das brasilianische St.-Tropez zu sein
VON GÜNTER ERMLICH
Wer Búzios sagt, muss auch Brigitte Bardot sagen. Denn ohne die Visite von BB, dem französischen Filmstar, wäre Armação dos Búzios vielleicht noch immer ein abgelegenes, verschlafenes Fischerdorf. Im Jahr 1964 flüchtete die Sexbombe mit ihrem Liebhaber Bob Zaguri vor Fotografen, Journalisten und Fans aus Rio de Janeiro, sie fuhren die Küste hoch und tauchten 170 Kilometer nördlich im winzigen Búzios wieder auf. Über Nacht gelangte das unbekannte Kaff auf die Weltkarte, wurde touristisch entdeckt und später als „brasilianisches Saint-Tropez“ vermarktet. Mit „Bikini-Klima“ und „220 Sonnentagen im Jahr“.
Zu Bardots Zeiten gab es in Búzios noch kein Leitungswasser, kein Licht, kein Telefon. Die 300 Einwohner lebten vom Fischfang. Bardot blieb drei Monate. „Ich erlebte die schönsten Tage meines Lebens“, schwärmte sie später in ihren Memoiren. Heute hockt die Bardot, ewig jung in Bronze gegossen, lässig auf einem Koffer an der gewundenen Strandpromenade Orla Bardot.
Ihr einstiges Hideaway an der Costa do Sol würde die Bardot, die ja auch mehrere Häutungen erlebt hat, nach 40 Jahren kaum wiedererkennen. Der Badeort auf der hügeligen Halbinsel mit 23 Stränden zählt heute 22.000 Einwohner, alle leben direkt oder indirekt vom Fremdenverkehr: Es gibt 350 Hotels, Pousadas und Gästehäuser, internationale Restaurants und Diskos, schicke Boutiquen und Allerlei-Souvenirshops.
100.000 Touristen kommen im Jahr, die Reichen und Schönen, vor allem die Cariocas, die Bewohner von Rio, viele Argentinier und Chilenen, aber auch Besucher vom Alten Kontinent, in erster Linie Franzosen. Und natürlich all die VIPs oder Semi- VIPs, Popgrößen, Monarchen, Fußballstars. Vielleicht liegt der Tourist ja im selben Pousada-Bett, in dem Mick Jagger nächtigte, faulenzt im selben Liegestuhl am Hotelpool wie Gisele Caroline Nonnenmacher Bündchen.
In der kurzen Hochsaison von Dezember bis Februar geht die Party richtig los. Die Jeunesse dorée speist Seezunge auf der Meerterrasse des Restaurants Cigalon, schlurft danach in Flipflops durch die geschäftige, kopfsteingepflasterte Rua das Pedras, schaut in den Klamottenladen Sandpiper, hängt später in einem Jazz-Club oder einer Piano-Bar rum und tanzt schließlich in der Disko Privilege bis zum Morgengrauen. All das spielt sich im sehr überschaubaren Centro ab, zwei, drei Hauptachsen mit vier, fünf Querstraßen.
Jetzt ist Nebensaison, und Búzios ist angenehm leer. Erfrischend ist ein Bootstrip um die acht Kilometer lange Halbinsel herum zu den zahlreichen Stränden und Buchten. Am Bug des Zweimasters „Tattoo“ hockt ein wohlgeformter Krauskopf in Boxershorts mit seiner süßen Freundin im pinkfarbenen Kleinstbikini. Bossa nova kommt aus den Lautsprechern, aus den Pappbechern Caipirinha. Zwischendurch, vor der Ilha Feia, geht die „Tattoo“ 20 Minuten vor Anker. Auch Leopoldo Volk von der städtischen Tourismusbehörde ist an Bord. Spricht von „unserem Saint-Tropez“, sagt verschmitzt: „Wir sind klein und reich“, erzählt von den „A- und B-People“, den vielen Berühmtheiten. Aber er sieht auch die Gefahren einer ungezügelten Expansion, eines touristischen Overkills.
Wo früher armselige Fischerhütten standen, protzen heute Millionärsvillen. Die Bodenpreise explodierten: Ein 1.000 Quadratmeter großes Grundstück am Strand kostet inzwischen 400.000 US-Dollar. Auch die Bevölkerung „explodiert“ und hat sich in den letzten zehn Jahren verzehnfacht.
Während die „Tattoo“ sanft dahingleitet, zeigt Volk mit dem Finger auf die nahe Ilha Rasa: „Seit drei Jahren stehen auf der Insel 25 Chalets leer, alles verfällt, der Dschungel wächst drüber. Und kein neuer Investor in Sicht.“ Ein paar Seemeilen weiter, als das Ausflugsboot vor der Praia da Tartaruga, dem Schildkrötenstrand, ankert, sagt Volk mit Zorn: „Das ist ein Verbrechen!“ Er meint die Wochenendhäuser der Cariocas, die oberhalb des Strandes widerrechtlich gebaut werden.
In der Kernzone von Búzios wurde im letzten Jahr ein befristeter Baustopp verhängt. Und schon zu Beginn des Baubooms hat ein umsichtiger Architekt den Búzios-Stil entworfen: Die Häuser im Kolonialstil dürfen laut Baugesetz maximal zwei Stockwerke hoch sein, sie sind oft blau oder weiß gestrichen, haben Veranden aus Holz und niedrige Dächer aus terrakottafarbenen Ziegeln. Von uniformen Hotelkästen zugeballerte Strände wie am Mittelmeer findet man hier nicht. „Trotzdem hat sich Búzios einfach zu schnell entwickelt“, kritisiert Thomas Weber, der die Pousada Byblos führt. Ein städtischer Masterplan, erklärt er, solle daher die künftige Ortsentwicklung festschreiben, wo genau die Schule und das Kaufhaus, das Hotel und das Privathaus gebaut werden dürfen.
Wie viele Ausländer, die früher selbst hier Urlaub machten, ist auch Weber in Búzios hängen geblieben. Schon vor 25 Jahren kauften seine Eltern ein Ferienhaus – heute ist es eine komfortable Pousada mit 21 Appartements, die Meer- oder Gartenblick bieten.
Beim Kaffee auf der Poolterrasse erzählt Weber die Anekdote von Bill Gates, die inzwischen zur Promichronik von Búzios gehört wie der Gründungsmythos um Brigitte Bardot. Eines Nachts wollte der Microsoft-Chef mit drei Kumpels in die Disko. Doch der Türsteher erkannte ihn nicht. Ohne Damen könnten sie nicht rein, machte er den vier Freunden klar. Nach deren Protest drohte er ihnen sogar Prügel an. Gates musste leider draußen bleiben. Und ist nie mehr in Búzios gesichtet worden.