: Stress bis in die Führungsetagen
WOHLBEFINDEN Psychischen Krisen widmet sich die „Woche der seelischen Gesundheit“. Auch Rot-Grün hat sich jetzt des Themas angenommen und fordert mehr Arbeitsschutz
■ Auftakt der Woche mit dem Motto „Leben wagen – dazugehören“ heute, 16.30 Uhr, Bürgerschaft.
■ Mittwoch ab 18 Uhr: Vorträge zu Angst, Depression, Burnout in der Glocke.
■ Donnerstag, 18 Uhr: Diskussion und Filmvorführung beim Behandlungszentrum für Flüchtlinge „Refugio“, Parkstraße 2-4.
■ Freitag: Veranstaltungen zum Versorgungsangebot in allen Stadtteilen.
■ Samstag ab 11 Uhr: Vortrag und Diskussion über Demenz, Rathaus.
■ Sonntag ab 10.30 Uhr: Abschlussdiskussion im Presseklub.
■ Mehr im Netz: www.aktionswoche.seelischegesundheit.net
VON TERESA HAVLICEK
Um 11,3 Prozent gestiegen ist die Zahl der Menschen, die zwischen 2008 und 2009 in Bremen wegen psychischer Erkrankungen frühverrentet wurden. Das ergaben Berechnungen der Techniker Krankenkasse. Bundesweit waren es sogar 12,5 Prozent mehr. Aufmerksam machen auf Entwicklungen wie diese will die „Woche der seelischen Gesundheit“, die der Landesverband der Deutschen Gesellschaft für Soziale Psychiatrie (DGSP) und der Bremer Klinikverbund Gesundheit Nord ab heute veranstalten.
Die Woche richte sich vor allem an „seelisch Gesunde“, sagt Peter Kruckenberg, ehemaliger Chefarzt der Psychiatrie am Klinikum Ost, bei der Vorstellung der Woche am Montag. Denn jedeR Vierte – ob im Kindes- oder im Erwachsenenalter – durchlebe Untersuchungen zu Folge ein Mal im Jahr Phasen, in denen er psychologisch oder psychiatrisch behandlungsbedürftig sei. Tatsächlich behandelt würden aber die wenigsten. Teils fehle das Hilfsangebot, teils der Mut, Hilfe anzunehmen.
Auslöser von Erkrankungen wie Burnout, Depressionen, Schlaf- oder Essstörungen sei nicht nicht nur die individuelle Veranlagung, sondern auch die soziale Umwelt – im Privaten wie im Beruflichen. „Überhaupt Arbeit zu haben, ist gut für die seelische Gesundheit“, sagte Kruckenberg, „wichtig ist es aber auch, gute Arbeit zu haben.“
Und eben die führe angesichts unsicherer Arbeitsplätze, hoher Anforderungen und wenig Anerkennung immer häufiger zu Gefühlen der Überforderung, sagt Martin Bührig, Direktor des Psychiatrischen Behandlungszentrums am Klinikum Nord. In einer „repressiven Arbeitswelt“ sei nicht mehr wichtig, was Menschen bereits geleistet haben, sondern was sie noch leisten müssen. „Der Druck, den Job zu bewältigen, ist hoch“, sagt Bührig, in allen Branchen und Ebenen, bis in die Führungsetagen.
Wahrgenommen hat das auch die Bremer Politik: In einem Bürgerschaftsantrag fordern SPD und Grüne, psychische Belastungen zum Schwerpunkt des Arbeitsschutzes zu machen, in Landes- wie in Bundes-Vorschriften. „Volkswirtschaftliche Schäden“ verursache die wachsende Zahl psychisch bedingter Krankschreibungen und Frühverrentungen, sagt die SPD-Arbeitsmarktpolitikerin Helga Ziegert. Der Schutz bei physischen Belastungen wie Heben oder Tragen sei „umfassend geregelt“. „Psychische Belastungen aber werden nicht berücksichtigt“, sagt sie. Zwar seien die Faktoren, die Arbeit zur psychischen Belastung machen, „schwer zu fassen“. Zum „guten Betriebsklima“ beitragen können aber die Gestaltung von Dienst- und Schichtplänen, die Organisation von Arbeitsabläufen oder das Verhalten von Führungskräften. „Die Arbeitswelt“, sagt sie, „muss nicht so sein, dass die Menschen chronisch so viele Aufgaben haben, dass sie sie nicht mehr schaffen.“