Exportschlager Elektroschrott

In großem Stil werden kaputte Computer und Fernseher illegal von Europa nach Afrika und Asien verschifft. Experten halten das für schlimmer als jeden Giftmüllskandal

BERLIN taz ■ Morgen soll eine französische Spezialfirma damit beginnen, den europäischen Giftmüll aus Abidja, Hauptstadt der Elfenbeinküste, herauszuholen. So hat es zumindest der Premierminister des Landes, Charles Konan Banny versichert. Sechs Menschen starben bereits an dem Gift in Luft und Wasser. Tausende sind verletzt. Doch das Gift kann auch in ganz alltäglichen Produkten stecken, deren Entsorgung ebenfalls in den Ländern des Südens dramatische Folgen hat.

Kleiner Selbstversuch: Ein Stück Plastik in der Rechten, Feuerzeug in der Linken. Plastik anzünden und schnüffeln. Was dann in die Nase steigt, entspricht in etwa dem, was tausende von Arbeiter in afrikanischen und asiatischen Hafenstädten täglich zu ertragen haben. Sie entsorgen den Elektroschrott der sogenannten zivilisierten Welt. Dabei werden Platinen und Kabel offen verbrannt, um Gold, Silber und Kupfer herauszuschmelzen. Säurebäder lösen Blei und Cadmium aus Platinen. Die giftigen Dämpfe werden allein in den Lungen der Arbeiter gefiltert. Was auf wilden Müllhalden verrottet, verseucht den Boden.

Mehrere Millionen Tonnen Elektroschrott werden Tag für Tag über die Weltmeere nach Afrika und Asien geschippert, vor allem nach Indien und China. Michael Dreyer, Giftmüllexperte der Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ): „Die Elektroschrottexporte übertreffen alles, was an Giftmüllexporten je da gewesen ist.“

Dabei gilt in der EU seit März die Elektroschrottverordnung. Danach müssen die Hersteller ihre Geräte zurücknehmen und die Entsorgung bezahlen. In der EU ist es verboten, Giftmüll jedweder Art in Staaten zu bringen, die nicht der OECD angehören, also keine Industriestaaten sind.

Wenn aber kaputte Computer und Fernseher als Gebrauchtware deklariert werden, sind die strengen Auflagen für Mülltransporte schon umgangen. Nach Schätzungen wird jeder fünfte Mülltransport nicht angegeben.

Im Hafen der afrikanischen Stadt Lagos kommen nach Zahlen von Umweltschutzgruppen pro Monat 400.000 solcher Gebrauchtcomputer an, auch aus Deutschland. Drei Viertel davon sind reiner Schrott. Das Geschäft lohnt sich. Die Entsorgung einer Tonne Giftmüll schlägt hierzulande mit bis zu 5.000 Euro pro Tonne zu Buche. Bis zu 200 Euro kostet es, eine Tonne Elektronikschrott zu recyceln. Dem gegenüber stehen moderate Transportkosten. Einmal von Europanach Asien macht auf einem Containerschiff etwa 100 Euro pro Tonne. Wer 500 Tonnen Elektroschrott auf die Reise schickt, verdient auf einen Schlag bis zu 50.000 Euro. Kontrolle ist kaum möglich, so Michael Dreyer: „Schauen Sie sich den Fleischskandal an. Was glauben Sie, was da mit Elektroschrott los ist.“

THORSTEN DENKLER