Der Rückkehrer aus der Kohl-Ära

Für viele ist Volker Rühe der Verteidigungsminister aus der zweiten Hälfte der Kohl-Ära, der ab 1992 als Erster von der neuen weltpolitischen Verantwortung Deutschlands sprach. Anders als Kanzler Kohl selbst fühlte sich Rühe weder biografisch noch geschichtspolitisch zur militärischen Zurückhaltung verpflichtet, sondern vor allem der Nato.

Die Beinamen, die dem schneidigen Redner angehängt wurden – alles von „Feldmarschall“ bis „Führungsoffizier“ –, passten aber insofern nicht, als Rühe selbst nie gedient hat. Die größten Anhänger von Auslandseinsätzen der Bundeswehr waren ohnehin noch nie in der Truppe selbst zu finden.

Umgekehrt kritisierte Rühe recht früh den Afghanistaneinsatz ab 2001 als ziellos und schlecht begründet. Von 2002 bis 2005 saß er dem Auswärtigen Ausschuss des Bundestags vor. Doch nur wer sich in den vergangenen Jahren auf rüstungs- und sicherheitspolitischen Veranstaltungen in künstlich beleuchteten Hotelsälen herumtrieb, sah den heute 71-Jährigen – verblüffend unverändert – vorn als Moderator sitzen. Rühe war also gar nicht weg, sondern nur etwas in den Hintergrund gerückt.

Jetzt hat ihn die Unionsfraktion ausgesucht, der Kommission vorzusitzen, die die Parlamentsrechte bei Bundeswehreinsätzen neu definieren soll. Heute wird der Bundestag die Kommission wohl beschließen.

Keinesfalls wollte Rühe zuletzt darüber sprechen, in welche Richtung seine Vorschläge gehen. Allerdings schrieb er im Januar in der FAZ aufschlussreich unter dem Titel „Deutschland muss führen“: Die Bundesrepublik müsse sich stärker an Auslandseinsätzen beteiligen, „um den Startschuss für eine arbeitsteilig organisierte europäische Verteidigung zu geben“. Wenn Deutschland etwa in Mali mehr leiste, würden auch die EU-Partner sich lieber auf die gemeinsame Nutzung teurer Großwaffen einlassen. Rühe denkt also langfristig, er will mehr Arbeitsteilung; das heißt für die meisten: weniger nationale Vorbehalte.

Rühes Vize von der SPD, Exstaatssekretär Walter Kolbow, ist ein alter Vertrauter. Dass die SPD-Fraktion bei seinen Plänen mitzieht, ist allerdings nicht sehr wahrscheinlich.

ULRIKE WINKELMANN