Global denken, lokal taz abonnieren

Warum die erste Seite der taz heute anders aussieht und was das mit unserer neuen Abo-Herbstkampagne zu tun hat

Erschrocken über den kyrillischen Titelschriftzug auf der Seite Eins? Nein, die taz ist nicht über Nacht zum Global Player geworden, keine Angst. Aber dafür ist sie einzigartig auf dem Globus: unabhängig, kritisch und in der Hand ihrer Leser. Ja, das muss mal wieder gesagt werden, denn die taz von heute erscheint mit diesem besonderen Titel, weil heute die Aboherbstkampagne der taz startet.

Die taz ist einmalig. Leider, denn eine solche Zeitung könnte beispielsweise Russland gut gebrauchen - die Berichte unseres Moskau-Korrespondenten Klaus Helge Donath sprechen Bände: „Unter Jelzin konnten sich Printmedien eine gewisse Unabhängigkeit bewahren, inzwischen sind Flaggschiffe wie Iswestija aber auf Linie gebracht, diese Tageszeitung gehört jetzt Gasprom.“

Freie Meinungsäußerung und die Möglichkeit, unabhängige Informationsquellen zu nutzen sind weltweit längst noch keine Selbstverständlichkeit - wie unser Mann in Peking, Georg Blume, aus bitterer Erfahrung bestätigen kann. In unserer Abo-Herbstkampagne zeigen wir, wie die taz in Ländern aussehen könnte, in denen nicht in lateinischen Buchstaben geschrieben wird. Unsere Korrespondenten vor Ort berichten von der dortigen Presselandschaft - und davon, wie dringend notwendig eine Zeitung wie die taz dort oft wäre.

Klaus-Helge Donath und Georg Blume sind nur zwei von insgesamt 32 KorrespondentInnen, die unsere Redaktion täglich mit aktuellen Berichten versorgen, einige unserer wackeren Außenposten auf den fünf Kontinenten werden wir in kurzen Porträts vorstellen. Zum Beispiel Adrienne Woltersdorf, die während des nächsten US-Wahlkampfes quer durch den Mittleren Westen reisen wird. Oder Karim El-Gawhary, der laut Inlands-Ressortleiterin Beate Seel „auch den letzten Schleichweg des Nahen und Mittleren Ostens kennt wie seine eigene Westentasche“. 32 KorrespondentInnen: Auch wenn die unabhängige taz wirtschaftlich gesehen längst nicht so weit spucken kann, wie die großen Verlagshäuser, kann sie inhaltlich locker mithalten. Und das schon seit 27 Jahren - dank der AbonnentInnen und GenossInnen.

Man muß sich eben was einfallen lassen, wenn man es nicht so dicke hat - die Art und Weise, in der die phonetischen Übersetzungen der taz-Schriftzüge zustande kamen, sagt eigentlich alles. Als sich die Übersetzung der Kurzform taz mit Hilfe von Internet-Lexika als zu kompliziert erwies - im koreanischen gibt es kein z - kam der entscheidende aber unerwartete Tip von einem guten Freund aus Berlin: „Wahrscheinlich ist es das Schnellste, wenn Ihr heute Abend nach Schöneberg fahrt, neben der Sparkasse in der Hauptstraße ist ne‘ ganz nette Koreanerin, bei der kauft Ihr etwas Kim Chi und fragt einfach mal“. Gesagt, getan.

Die Übersetzung des gesamten Schriftzugs „die tageszeitung“ organisierte eine Praktikantin, die ihrer koreanischen Mutter in ellenlangen Telefongesprächen die Bedeutung einer phonetischen Übersetzung zu erklären versuchte.

Anstrengender als eine Fahrradtour im Zentrum Berlins war die Übersetzung von taz ins Chinesische - zumindest für die hilfreichen Freunde des alternativen Reiseunternehmens „China by Bike“ aus Berlin. Die Übersetzung eines Eigennamens ist in China eigentlich nicht üblich, „BMW“ zum Beispiel wird dort mit „Schnelles Auto“ übersetzt. Doch nichts ist unmöglich, es sollte nun einmal eine phonetische Übersetzung sein. Tagelang zerbrach man sich nun den Kopf über die Frage, in welche Silben unterteilt „die tageszeitung“ laut vorgelesen wie das deutsche Wort klingt. Bei der hier abedruckten Version handelt es sich lediglich um diejenige, auf die man sich nach endlosen Diskussionen einigen konnte - der taz zu Liebe.

Irgendwie geht es ja immer: Teure Telefongespräche nach Japan ersparte ein kurzer Anruf im Deutsch-Japanischen Zentrum Berlin, und wie gut, dass man einen Bekannten aus Israel hat, der mit seiner holländischen Frau in Amsterdam lebt. Sogar das Problem mit der elektronischen Übermittlung der Hindi-Transkription in Devenagari - wie generiert man so etwas bloß im Adobe-Format - konnte schlussendlich gelöst werden. Und zwar mit Hilfe eines guten, alten Faxgerätes.

Trotz all des Aufwands: Eine taz in China wird es wohl nicht geben, aber regelmäßige und ausführliche Berichte über die rasanten Veränderungen in dem boomenden Land schon, keine taz in Dehli, aber Informationen und Reportagen aus einer Stadt, in der es weder nur Arme noch nur Ingenieure und Informatiker gibt, die dem Westen die Jobs rauben.

Das Versprechen gilt, außer heute: Da sitzen nämlich anlässlich des alle zwei Jahre stattfindenden Korrespondenten-Treffens sämtliche taz-Bericht- erstatterInnen in einer Berliner Kneipe und tüfteln an inhaltlichen Strategien. Und wahrscheinlich bekommen sie von den produzierenden Redakteuren aus dem Rudi-Dutschke-Haus für die Rückfahrt eine Thomas-Mann-Gesamtausgabe in den Reisekoffer gepackt. Die deutsche Sprache ist nämlich in der Fremde - nun ja - von Erosion bedroht. MRE