: Kopftuchverbot diskriminiert
betr.: „Religiöse Indoktrination stoppen“, Kommentar von Dirk Eckert, taz nrw vom 8.9.2006Ich bin fassungslos. Ihr Kommentar hat mich wirklich verblüfft. Ich sehe die Dinge ganz anders als Sie. Erstens denke ich, dass wir viel mehr „religiöse Indoktrination“ brauchen. Religion ist für mich die Suche nach dem Ursprung. Sie gehört zum Leben dazu, in den verschiedenen Formen. Einige gehen Sonntags in die Kirche, andere zünden Kerzen an, wieder andere tragen Kopftücher. An etwas glauben heißt auch, dass man das zeigen können darf. Das Gesetz in NRW ist meiner Ansicht nach ein Beschneiden der Religionsfreiheit und eine offene Diskriminierung von Muslimen.
Zweitens ist es, wenn jemand zu seinem Glauben steht, noch keine Indoktrinierung. Oder sind Sie schon mal in die Kirche gegangen, weil Sie von einem Lehrer in Ordenstracht unterrichtet wurden? Zwischen dem Anblick eines Kopftuchs und der Entscheidung, praktizierender Muslim zu sein, liegen Welten. [...]
Drittens ist das Kopftuchgesetz meiner Ansicht nach wohlfeile Symbolpolitik. Sie kostet keine Steuergelder, trifft nur wenige Menschen direkt und die können sich nicht gut wehren, weil ihr Arbeitsplatz und ihre Reputation auf dem Spiel stehen. Für diese geringen Kosten heimst die Politik Beifall und Legitimation von denjenigen ein, die mit anderen Kulturen nicht klarkommen. Den Migranten muslimischen Glaubens vermittelt das Gesetz die Botschaft „Ihr seid hier nicht erwünscht!“
Viertens beweist das Beispiel der Türkei gar nichts, denn dies ist ein eigener Staat mit eigener Geschichte, aus der heraus die Trennung von Staat und Religion entstand. In Deutschland aber sind Staat und Religion nicht getrennt, es gibt vielfältige Kooperation und Subsidiarität. Außerdem: Vor wenigen Jahren wurde in der Türkei gefoltert. Sollen wir uns daran auch ein Beispiel nehmen? Jedenfalls bin ich schon arg verwundert, wie viele Menschen, die sonst über die Türkei eher abfällig sprechen, plötzlich zum Kopftuchgesetz das Beispiel Türkei anführen.
Fünftens ist in meinen Augen das Verbot des Kopftuchs im Schuldienst frauenfeindlich, denn in der Natur der Sache liegt es, dass davon Frauen betroffen sind [...].
Ich fasse zusammen: Das Gesetz hindert die Religionsfreiheit, diskriminiert Frauen, diskriminiert Muslime, fördert die Fremdenfeindlichkeit und bedient dumpfe Ängste auf dem Rücken weniger, die keine Lobby haben. Ich warte auf den Tag, an dem ein Politiker in NRW mal endlich etwas dagegen unternimmt. DORIS BEER, Hünxe