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Archiv-Artikel

Der Drohnenkrieg

KRIEGSGEBIET Die USA setzen verstärkt Drohnen im pakistanisch-afghanischen Grenzgebiet ein. 100 deutsche Islamisten sollen dort sein

KABUL/BERLIN taz | Die USA haben den Einsatz von Drohnen gegen militante Islamisten im pakistanisch-afghanischen Grenzgebiet in den vergangenen Monaten intensiviert. Vor allem die pakistanische Seite gilt als Rückzugsraum einer ganzen Reihe solcher Organisationen, die zum Teil von dort aus nach Afghanistan hinein operieren: die afghanischen und pakistanischen Taliban, pakistanische Terrorguppen, die Islamische Bewegung Usbekistans (IMU) sowie weitere Splittergruppen. Zudem vermutet die US-Regierung dort die Zentrale von al-Qaida oder das, was von ihr übriggeblieben ist.

Die meisten dieser Gruppen waren zwischen 1996 und 2001 mit dem afghanischen Taliban-Regime verbündet. Nach der US-geführten Militärintervention Ende 2001 folgten sie den fliehenden Taliban über die Grenze nach Pakistan. In jüngster Zeit sind einige von ihnen Gastgeber für aus Europa anreisende Dschihadisten. „Die Zahl deutscher Islamisten in Pakistan und im Grenzgebiet zu Afghanistan ist seit 2006 enorm gestiegen“, sagt Guido Steinberg, Terrorismusexperte der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin. An die 100 seien es derzeit.

Die am Montag getöteten Deutschen sollen Mitglieder der Islamischen Dschihad Union (IJU) sein – einer Splittergruppe der Islamischen Bewegung Usbekistans. „Das ist eine sehr kleine Gruppe, die in den vergangenen Monaten stark geschwächt wurde“, sagt Steinberg. 2009 sei ein großer Teil der Führungsspitze bei Angriffen getötet worden. Die IJU sei aber die Gruppe, die einen Großteil der deutschen Rekruten aufgenommen haben soll. Auch die vier Mitglieder der sogenannten Sauerlandgruppe, die im März wegen der Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung des versuchten Mordes und der Vorbereitung eines Explosionsverbrechens zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt wurden, gehörten der IJU an.

Den Drohnenangriff vom Montag eingerechnet, sollen 2010 bis zu zwölf deutsche Dschihadisten in Pakistan getötet worden sein, darunter auch ihr bekanntestes Gesicht, der Saarländer Eric Breininger. Außerdem kam es zu einigen Festnahmen.

Der im US-Stützpunkt Bagram festgehaltene Deutschafghane Ahmad Sidiqi hatte in Mir Ali ein angebliches Al-Qaida-Führungsmitglied getroffen, Scheich Junes al-Mauretani. Dabei seien Gespräche geführt worden, die die jetzigen Terrorwarnungen in Europa mit auslösten. Die zunehmenden Drohnenangriffe stehen nach Einschätzung Steinbergs im Zusammenhang mit den Terrorwarnungen. Die New York Times zählte im September 21 Drohnenangriffe – das ist eine Vervierfachung gegenüber dem letzten Bush-Jahr. Neben dem Militär setzt auch die CIA Drohnen ein, betrieben zum Teil von privaten Sicherheitsfirmen wie Xe Services (ehemals Blackwater). Sie starten von Stützpunkten in Afghanistan und Pakistan – wo die Anwesenheit von US-Militär geheim gehalten wird –, möglicherweise von der arabischen Halbinsel sowie von Flottenverbänden und Basen im Indischen Ozean.

Zudem unterhält die CIA insgesamt 3.000 Mann starke „Counterterrorism Pursuit Teams“, die US-Medien zufolge von vier Basen in Afghanistan aus operieren, auch über die Grenze mit Pakistan hinweg. Sie bestehen offenbar aus afghanischen Milizen, die von US-Spezialeinheiten – wahrscheinlich ebenfalls der CIA – geführt werden. Ihre Operationen führten vor wenigen Tagen dazu, dass Islamabad die Nachschubroute durch Pakistan für Nato-Nachschub dichtmachte. THOMAS RUTTIG, PAUL WRUSCH