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Archiv-Artikel

Ungebremste Akteure

KUNST-AUSTAUSCH Beim Festival „Rue Princesse“ treffen deutsche und ivorische Künstler aufeinander. Die Ergebnisse der Zusammenarbeit sind nun auch auf Kampnagel zu erleben

Beim Coupé Decalé wird ungebremster Hedonismus zur widerständigen Selbstbehauptung

VON ROBERT MATTHIES

Die Rue Princesse im nördlichen Abidjan in Côte d’Ivoire ist nicht irgendeine Vergnügungsmeile. Tagsüber sieht man es der Straße mit den badenwannengroßen Schlaglöchern nicht an, aber nach Sonnenuntergang trifft hier zwischen Bars, Nachtclubs, Restaurants und Pfingstkirchen die urbane Kultur ganz West-Afrikas aufeinander. Entstanden ist hier in den letzten Jahren ein ganz eigener städtischer Lebensstil, der den glorreichen Moment inmitten all der Krisen der Region feiert. Der Coupé Decalé, jener in der Pariser Diaspora von ivorischen Künstlern entwickelte Musik- und Tanzstil, der den schnellen, nicht ganz legal erworbenen Reichtum mit seiner protzig-glamourösen Zurschaustellung verbindet, hat hier seine Wurzeln – ungebremster Hedonismus als widerständige Selbstbehauptung. Statt klassischem Kino oder Theater prägen hier die Pfingstkirchen die Kultur: in ihren multimedialen Spektakeln nebst Wundern werden alle Beteiligten zu Akteuren.

Das Künstlerduo Monika Gintersdorfer und Knut Klaßen und seine Kompagnie arbeitet hier schon seit Jahren erfolgreich mit den ivorischen Künstlern zusammen, entwickelt zweisprachige Produktionen und hat vor kurzem mit Unterstützung der Kulturstiftung des Bundes und des Goethe-Instituts befreundete Künstler wie Ted Gaier, Jacques Palminger oder Erobique nach Abidjan eingeladen, um vor Ort zu arbeiten.

Nachdem die deutschen Musiker und Theatermacher in West-Afrika zu Gast waren, ist das deutsch-ivorische Kunst-Austausch-Festival Rue Princesse nun, nachdem es schon im Berliner Haus der Kulturen der Welt gastiert hat, auch auf Kampnagel zu erleben. An drei Abenden verschmelzen in der ehemaligen Maschinenfabrik Kulturen, Stile, Alltagspraktiken und Politik. Zu erleben sind die vielfältigen Ergebnisse der deutsch-ivorischen Zusammenarbeit von heute bis zum Samstag. Man darf gespannt sein auf knappe 20 Stunden ungewöhnliche Performances, Tanz, Theater, Musik.

■ Do, 7. 10, 18 Uhr, Fr, 8. 10., 18 Uhr und Sa, 9. 10, 19 Uhr, Kampnagel, Jarrestraße 20