: Kasper König geht baden
WUNDERVASE Eine Mesalliance von Kunst und Kino: Frances Scholz’ Videofilm „China City“, der jetzt von der Galerie Christian Nagel präsentiert wurde
Geld hatte die Künstlerin Frances Scholz keins für ihren Videofilm „China City“. Dafür allerdings prunkt der Abspann mit einer Dankesliste an die höchste Film- und Kunstprominenz, von Marlene Dietrich bis On Kawara, von Christopher Lee bis Rosemarie Trockel. Das ist natürlich mehr oder minder ein Witz, wie der ganze Film. Werke der hier Verzeichneten tauchen meist nur sekundenlang kurz im Bild auf oder gehören teils vielleicht ganz ins rein imaginäre Mitarbeiterregister. Sogar ein Drehbuchautor wird genannt, der in Merve-Kreisen halbberühmte Diskursblasenwerfer Mark von Schlegell („Realometer“), einen näher zu bestimmenden Sinn ergibt an dem Buch wie am Film mancher Zusammenhangsherstellungsbemühung zum Trotz gar nichts.
Kasper König geht baden. Kasper König: Kunst-Kaiser von Köln oder gar Deutschlands, Kurator, Museum-Ludwig-Direktor, Professor auch, kurzum: ein Mann von Gewicht in der Kunstwelt. Er höchstpersönlich ist der Held dieses Films, der sich im Modus des Irgendwie auf die von Sax Rohmer verfassten Dr.-Fu-Manchu-Abenteuer aus den Zehnerjahren des 20. Jahrhunderts bezieht. Und auf die Verfilmungen mit Christopher Lee. Die Assoziationskette China, Fu-Manchu kommt so in die Gänge: Kasper König stiehlt eine Vase aus dem Museum für Ostasiatische Kunst. Diesen Kriminalfall legt sich Frances Scholz’ Kunstweltinsiderfilm als Handlungsalibi zu. Eine Detektivin tritt auf mit Trenchcoat und Schlapphut: die Künstlerin Julia Scher. Sie verfolgt den Vasendieb König, während der badet, mit dem Jungmädchengeist aus der geklauten Wundervase ins Gespräch kommt und dann unversehens selbst Dr. Fu-Manchu wird.
Da hat Detektivin Scher aus dem Off schon längst die ersten Erfolgsstationen von Kurator King König hergebetet. Die Kamera folgt ihr und folgt ihm durch die Räume und Hallen und Hinterräume und Magazine der Kunst. Einmal hält Kasper König eine recht wirre Rede vor Publikum, bekennt sich zu seiner Vasenobsession und sagt etwas Ähnliches wie: „Die Kunst ist längst realer als die Wirklichkeit.“ Das wollen wir angesichts eines Werks wie „China City“ mal lieber nicht hoffen. Von einer Welle ist darin immer wieder die Rede, in superbilligen Spezialeffekten rauscht sie heran. Als Chief Inspector in den Vereinigten Staaten kommt der real existierende Hollywoodschauspieler Paul Giamatti ins Bild, mit Pfeife im Mund, frei nach Magritte: Ceci n’est pas un film. Dazwischen schlurft, tanzt, sitzt, geht, spricht, liegt, stiehlt, badet Kasper König.
Den Künstler Dan Graham sieht man auch mal, auf einer Vernissage. Und die „Tatort“-Kommissarin Sabine Postel, bei einer nicht näher bestimmten Fernsehfuzziveranstaltung. Die Kamera hält drauf, auf ihn, auf sie, auf Günter Lamprecht, auf die minutenlang tanzende Detektivin, sie sagen alle nichts von Bedeutung. Eine Erkenntnis gewinnt man aus „China City“ immerhin doch: Kasper König ist offensichtlich ein Mann, der jeden Scheiß mitmacht.
EKKEHARD KNÖRER
■ „China City“. Regie: Frances Scholz. Mit Kasper König, Julia Scher u. a. D 2009, 61 Min.