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Archiv-Artikel

berliner szenen Pflaumenkern-Ticket

Renekloden

Ich habe gerade acht Kilo Renekloden gekauft. Die Verkäuferin hat sie mir in zwei Tüten gepackt, mit denen ich jetzt auf dem Bürgersteig stehe, während auf der Greifswalder Straße vor mir der Verkehr vorbeirauscht. Eigentlich wollte ich ein Schweineschnitzel, Nudeln und frische Pilze. Als ich das Geschäft betrat, hatte ich nicht die leiseste Ahnung, dass ich es mit acht Kilo Renekloden verlassen würde. Ich ging mit meinem Einkaufskorb an der Obstauslage vorbei, da sah ich sie plötzlich vor mir. Ich hatte schon seit Jahren keine Renekloden mehr gesehen. Ich blickte sie an und spürte, dass sie der Fahrschein in meine Kindheit waren. Ich nahm eine von ihnen in die Hand, rieb sie an meinem Ärmel wie eine Zaubermurmel und schon reiste ich zurück in die Achtzigerjahre.

Dort steht das Haus meiner Eltern und dahinter beginnen die Felder und Weiden mit ihren Obstbäumen. Ich pflücke die Renekloden von den Bäumen und sammle sie aus dem kniehohen Gras auf. Zwischendurch stecke ich mir immer wieder eine in den Mund, spucke den Kern in den Himmel und versuche, ihn mit ausgestreckter Zunge wieder aufzufangen. Dann setzt meine Erinnerung aus. Ich weiß nur noch, dass ich der Kassiererin einen Zwanzig-Euro-Schein gab, woraufhin sie mir zwei Beutel mit jeweils vier Kilo Renekloden überreichte.

Und hier stehe ich nun wie ein kleiner Junge in kurzen Hosen auf dem Bürgersteig. Das sind viel zu viele Renekloden, als dass ich sie alleine aufessen könnte. Ich könnte alle meine Freunde zu einer großen Reneklodenparty einladen. Ich spüre, wie ein Grundschullächeln von meinen Lippen zu meinen Augen hochwandert, und ich denke, ja, genau das werde ich machen.

DANIEL KLAUS