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Archiv-Artikel

Neue Verhältnisse in den Bezirken

Die Wahl der Bezirksparlamente war ein Spiegel der Landtagswahl – die PDS und die CDU stürzen ab, die SPD und die Grünen fassen Fuß im Osten. Die Sitzverteilung haben auch die vielen kleinen Parteien wie NPD und WASG aufgemischt

Nach der Wahl vom Sonntag ist das Bild der zwölf zukünftigen Bezirksverordnetenversammlungen (BVV) zum einen ein Spiegel der Landtagswahl. Das neue Parteienspektrum in einigen Rathäusern ist zum anderen vielfältiger und komplexer denn je geworden. Ein Hauch von Weimar bedeutet dies nicht, stehen doch die Blöcke aus SPD, CDU, Grüne und PDS den kleinen Parteien mit großen Mehrheiten gegenüber. Ausnahmen bestätigen auch hier die Regel.

Der große Wahlverlierer ist in den Bezirken – ebenso wie im Abgeordnetenhaus – die Linkspartei.PDS. Ist sie doch dramatisch etwa in Friedrichshain-Kreuzberg und mehr noch in ihren einstigen Hochburgen Lichtenberg, Marzahn-Hellersdorf und Treptow-Köpenick abgestürzt. Zwar bleibt die Linkspartei noch in Lichtenberg oder Marzahn-Hellerdorf die stärkste Kraft. Zählgemeinschaften aus SPD, CDU und Grünen könnten die beiden möglichen PDS-Bürgermeister aber verhindern.

Neben der PDS gehört die CDU in den Bezirken zum Hauptwahlverlierer. So wurden insbesondere in den östlichen Bezirken die Unioner abgestraft. Aber auch im Westteil Berlins gab es Einbrüche von bis zu knapp zehn Prozent. Die CDU besitzt hier kaum eine Mehrheit mehr, lediglich in den Bezirken Steglitz-Zehlendorf und durch die langjährigen „BezirksfürstInnen“ – Marlies Wanjura in Reinickendorfund Konrad Birkholz in Spandau – konnten Siege verteidigt werden. In Mitte ist das bundesweit einmalige schwarz-rot-grüne Bündnis perdu.

Die Sozialdemokraten (SPD), die prozentual in den Westbezirken nahezu unverändert blieben, haben dennoch in zweierlei Hinsicht gepunktet: Zum einen konnten die Genossen im östlichen Lichtenberg sowie in Marzahn-Hellersdorf der PDS Stimmen abnehmen. Zudem stellt die SPD in sechs Bezirken jetzt die stärkste Fraktion – vor fünf Jahren ging sie allein in den Rathäusern Mitte und Charlottenburg-Wilmersdorf als Sieger hervor. Die SPD hat weiterhin Chancen, durch Zählgemeinschaften mehr Bürgermeistersessel zu ergattern. Den bisher von der CDU besetzten Posten in Steglitz-Zehlendorf etwa glaubt Uwe Stäglin (SPD) trotz CDU-Mehrheit sicher, hofft er doch auf eine Vereinbarung mit den Grünen.

Überragend ist nicht nur der grüne Wahlsieg des Bürgermeisterkandidaten Franz Schulz im ostwestlichen Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg. Schulz wird mit aller Wahrscheinlichkeit Amtschef im Rathaus. Mit dem Einzug in die BVV von Lichtenberg und Marzahn-Hellersdorf sind die Grünen nun in allen Bezirken vertreten. Außerdem ist zu erwarten, dass die Grünen mehr Stadträte als bisher stellen können. Wie die Grünen ist die FDP in allen zwölf BVV vertreten, allerdings mit mehrheitlich unter zehn Prozent.

Dass einige Bezirksparlamente nicht nur bunt, sondern jetzt auch braun (NPD, REP), orange (WASG) oder grau (Graue Panther) daherkommen, liegt an der Vielzahl kleinerer Parteien, die den Sprung in die Rathäuser schafften. Zwei Indikatoren für politische Gratverschiebungen in Bezirken waren der Einzug der WASG gleich in sieben Bezirksparlamente, darunter in alle östlichen, und der Sprung der Grauen Panther (siehe Seite 24) in vier Parlamente. Mit acht Prozent waren die Grauen Panther in Reinickendorf am erfolgreichsten.

Beängstigend ist der Stimmenzuwachs der rechtsextremen NPD (siehe Seite 24), die es auf Anhieb in die Parlamente von Neukölln, Lichtenberg, Marzahn-Hellersdorf und Treptow-Köpenick schaffte, während die Republikaner diesmal in Pankow in der BVV sitzen.

Dass das Bürgerbündnis Charlottenburg-Wilmersdorf den Sprung ins Parlament nicht schaffte, hat überrascht. Der Stimmenanteil der „Sonstigen“ war noch nie so hoch wie bei dieser Berliner BVV-Wahl. ROLF LAUTENSCHLÄGER