Korruptionsbekämpfung unter Aufsicht

Die Anti-Korruptions-Politik von Weltbank-Präsident Wolfowitz ist vielen Mitgliedsländern zu pauschal. Sie befürchten, dass dabei die Armutsbekämpfung auf der Strecke bleibt – und wollen der Bank nun bei der Umsetzung auf die Finger schauen

VON NICOLA LIEBERT

Die Mitgliedsländer der Weltbank begrüßen die Bemühungen von Bankchef Paul Wolfowitz, die Korruption zu bekämpfen – jedenfalls im Prinzip. An der Umsetzung dagegen gab es auf der noch bis morgen dauernden Jahrestagung von Internationalem Währungsfonds und Weltbank zum Teil heftige Kritik. So hieß es gestern im Abschlusskommuniqué der Finanz- und Entwicklungsminister im Entwicklungsausschuss: „Wir unterstützen das Engagement der Bank für gute Regierungsführung und Korruptionsbekämpfung.“ Zugleich beschlossen sie aber, dass sich Wolfowitz dabei künftig vom Gouverneursrat auf die Finger schauen lassen muss. Der Rat ist die Vertretung der Mitgliedstaaten in der Weltbank.

Viele Minister aus Nord und Süd kritisierten das Vorgehen der Weltbank als zu streng und pauschal. Wolfowitz hatte zum Beispiel dafür gesorgt, dass die Auszahlung von Geldern für Ernährungs- und Gesundheitsprojekte an Bangladesch und Indien gestoppt wurde. Auch Kambodscha, Kenia, Kongo und Tschad wurde zumindest zeitweilig der Geldhahn zugedreht.

Die Korruptionsbekämpfung „sollte nicht die Kernaufgabe der Weltbank beeinträchtigen, die Armutsbekämpfung“, monierte der südafrikanische Finanzminister Trevor Manuel. Sein indischer Kollege Palaniappan Chidambaram sagte: „Entwicklung kann nicht warten, bis es eine korruptionsfreie Welt gibt.“

Der Entwicklungsausschuss betonte gestern, dass letztlich die jeweiligen Regierung für die Korruptionsbekämpfung zuständig seien, nicht die Bank. Vom Weltbankmanagement verlangten die Minister mehr „Vorhersagbarkeit, Transparenz und Gleichbehandlung“. Sie schlossen sich damit der Kritik entwicklungspolitischer Organisationen an, die Wolfowitz’ Zahlungsstopps als teilweise völlig willkürlich beschrieben.

Die Nichtregierungsorganisation Transparency International (TI) forderte die Weltbank auf, alle Partner, also Zivilgesellschaft, Privatwirtschaft, Parlamenten und Regierungen, öfter zu konsultieren. TI-Chefin Huguette Labelle wies auf die Verantwortung des Nordens hin. Wenn neue Entwicklungsstrategien ausgearbeitet würden, sei es unabdingbar, „dass die Industrieländer für die Einhaltung von Gesetzen über die strafrechtliche Verfolgung von Unternehmen sorgen, welche ausländische Beamte bestechen“.

Großbritannien hatte der Weltbank sogar damit gedroht, bereits zugesagte 94 Millionen US-Dollar einzubehalten, wenn die Bank ihre Auflagen gegenüber den Empfängerländern nicht lockert. Der britische Entwicklungsminister Hilary Benn sagte dem Sender BBC: „Vor allem in der Wirtschaftspolitik sollten Entwicklungsländer ihre eigenen Entscheidungen treffen können.“ Benns Zorn entzündete sich unter anderem an einer Entscheidung der Weltbank, Zahlungen für Gesundheitsprojekte in Indien auszusetzen, in die auch britisches Geld geflossen war. Der Minister zeigte sich gestern allerdings zufrieden mit dem Ergebnis der Sitzung.