: Wählermisstrauen
MANNHEIM/BERLIN dpa ■ Das Berliner Ergebnis der Landtagswahlen vom Sonntag hat nach Analyse der Forschungsgruppe Wahlen seine zentralen Ursachen in der Stadt selbst: Bei der Entscheidung war für 65 Prozent der Befragten das Land Berlin und nur für 29 Prozent die Bundespolitik wichtiger. Dabei stand eine SPD mit einer guten Bewertung und einem populären Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit einer schwachen Landes-CDU gegenüber, deren Leistungen und Kandidat ungewöhnlich schlecht bewertet werden.
Die Arbeit der SPD im Berliner Senat wurde auf der +5/-5-Skala mit 0,6 positiv eingestuft, die der Linkspartei mit minus 0,5 negativ. Die Liberalen kamen auf minus 0,7 und die Grünen auf 0,0. Vor allem aber hatte die CDU als Partei in Berlin ein deutliches Negativ-Image: Während die Berliner die CDU im Bund mit 0,1 bewerteten, lag sie im Land nur bei minus 0,8.
Die wirtschaftliche Situation und die Zukunftsaussichten Berlins werden noch immer mit Sorge, aber weniger skeptisch als vor fünf Jahren beurteilt. Nach nur 31 Prozent im Jahr 2001 sahen jetzt 41 Prozent die Stadt für die Zukunft gerüstet, die Hälfte zweifelte aber daran. Zwar überwog in den politischen Kernfeldern Wirtschaft und Arbeitsmarkt weiter Misstrauen gegenüber den Parteien, die SPD erhielt hier aber genau wie in den Bereichen Finanzen sowie Schule und Bildung mehr Kompetenzzuspruch als die CDU.
Neben Partei-Ansehen und Sachpolitik hieß der größte Trumpf der Sozialdemokraten Klaus Wowereit: 61 Prozent der Befragten wollten ihn, aber nur 21 Prozent Pflüger als Regierenden Bürgermeister. Mit einer klar positiven Leistungsbilanz erreichte der Regierungschef auf der +5/-5-Skala einen Imagewert von 1,7 – Pflüger lag bei minus 0,5. Im Vergleich galt Wowereit als Kandidat mit mehr Tatkraft, Glaubwürdigkeit und Sachverstand. Vor allem bei Sympathie und Bürgernähe ließ der Amtsinhaber den Herausforderer weit hinter sich.
Die größten Zugewinne konnte die SPD bei den unter 30-Jährigen verzeichnen, hier kam sie auf 33 Prozent (plus 6). Damit lag sie in allen Altersgruppen nahe an ihrem Gesamtergebnis. Bei der CDU gab es dagegen ein erhebliches Altersgefälle: Nur bei den über 60-Jährigen erreichte die CDU mit 32 Prozent ein weit überdurchschnittliches Ergebnis, bei den unter 30-Jährigen fiel die Partei dagegen mit lediglich 13 Prozent und bei den 30- bis 44-Jährigen mit 16 Prozent als drittstärkste Kraft hinter SPD und Grüne zurück.
Hohe SPD-Verluste haben bei der Landtagswahl am Sonntag zu einer Schwächung des rot-roten Bündnisses in Mecklenburg-Vorpommern geführt. In Schwerin zog die FDP nach zwölf Jahren mit starken Zuwächsen wieder in den Landtag ein. Zum ersten Mal wird dort mit der NPD auch eine rechtsextreme Partei vertreten sein. Mit 59,2 Prozent fiel die Wahlbeteiligung in Mecklenburg-Vorpommern immerhin höher aus als von vielen befürchtet – laut Analysen der Forschungsgruppe Wahlen nicht zuletzt ein Ergebnis der Aufrufe zur Wahlteilnahme, um einen NPD-Erfolg zu verhindern.
Im Nordosten resultierten die Verluste der SPD zum einen aus dem fehlenden bundespolitischen Rückenwind, der 2002 parallel zur Bundestagswahl für die Sozialdemokraten ein Ausnahmeergebnis gebracht hatte. Zum anderen wurde bei Rekordarbeitslosigkeit und schlechten Wirtschaftsdaten der SPD jetzt weniger zugetraut als vor der letzten Wahl. Was die nächste Regierung betrifft, findet eine Koalition aus SPD und CDU mit 39 Prozent etwas mehr Zuspruch als eine Fortführung der rot-roten Landesregierung (34 Prozent).
Ministerpräsident Harald Ringstorff (SPD) lag bei der Bewertung des Spitzenpersonals mit einem Wert von 1,5 vor dem CDU-Kandidaten Jürgen Seidel mit 1,1. 48 Prozent wollten den Amtsinhaber und 31 Prozent Jürgen Seidel lieber als Regierungschef. In der Leistungsbewertung wurde die SPD auf der +5/-5-Skala mit 0,6 (2002: 1,0) genau wie die Linkspartei mit minus 0,3 (2002: minus 0,1) jetzt weniger gut als vor der letzten Wahl beurteilt. Die CDU konnte in der Opposition nur bedingt überzeugen und erreichte 0,3 (2002: 0,1).
Bei Mecklenburg-Vorpommerns wichtigstem Problem, der Arbeitslosigkeit, setzten nach 30 Prozent im Jahr 2002 heute nur noch 19 Prozent auf die SPD. Die CDU konnte ihr Niveau von 31 Prozent halten, aber 29 Prozent (2002: 24 Prozent) vertrauen keiner Partei. Bei der Wirtschaftskompetenz fiel die SPD von 35 auf 22 Prozent, die CDU wurde hier unverändert von 27 Prozent genannt (2002: 28 Prozent). Von der Linkspartei wurden in diesen zentralen Politikfeldern kaum Lösungen erwartet.
Die NPD hatte nach gewohntem Muster bei den unter 30-Jährigen mit 17 Prozent ihr altersspezifisch bestes Ergebnis und blieb nur bei den über 60-jährigen Wählern unter der Fünfprozentmarke. Besonders stark kam sie bei jungen Wählern mit niedriger Schulbildung zum Zuge. Dass die NPD aus Überzeugung gewählt wurde, meinen 16 Prozent der Befragten – 78 vermuten jedoch vor allem Protest hinter dem Erfolg der rechtsextremen Partei.