: Der beliebte Anachronist
ABSCHIEDSANGST Nach seiner Galavorstellung gegen Hertha feiern die Gladbacher Fans Juan Aranogo – vielleicht zum letzten Mal
GLADBACH taz | Beinahe fühlte sich dieser Samstagabend an wie die vielen wunderbaren Wochenenden der Hinrunde, als die Borussia acht Heimspiele am Stück gewonnen hatte und in die Phalanx der Spitzenklubs vorgestoßen war. Souverän und effizient war Hertha BSC Berlin besiegt worden, am Ende stand es 3:0, die Gladbacher erklommen den fünften Tabellenplatz, sogar Rang vier ist wieder in Reichweite. Aber das Spiel beförderte auch ein Thema an die Oberfläche, über das die Verantwortlichen vom Niederrhein nicht so gern sprechen: die ungeklärte Zukunft von Juan Arango.
Der Venezolaner hatte nämlich wieder einmal eine seiner seltener werdenden Zaubervorstellungen aufgeführt. Mehrfach sang das Publikum voller Bewunderung „Arango ohoh, Arango ohoh“, eine Hymne für besonders süße Momente, in die sich an diesem Tag eine Spur Wehmut mischte. Denn vermutlich wird es diese besonderen Arango-Tage nicht mehr oft geben. Der Klub sucht nach einem neuen Spieler für die linke Offensivseite, Augsburgs André Hahn wird umworben, und wenn der zusagt, wird das alternde Genie aus Südamerika Mönchengladbach nach fünf Jahren verlassen. „Juan Arango ist ein fantastischer Fußballer, einer der besten Linksfüße, die ich je gesehen habe“, sagte Sportdirektor Max Eberl, aber im Spiel des Altmeisters gebe es eben auch „ein paar Defizite“.
Es gibt Gerüchte über einen Wechsel nach Mexiko, wo es nicht ganz so dynamisch zugeht. Arango ist ein Fußballer aus einer anderen Zeit, sein Umschaltspiel wirkt anachronistisch. Außenbahnen werden inzwischen von ruhelosen Sprintkönigen beackert, Arangos Spiel ist geprägt von einer großen inneren Ruhe. Er ist auch kein Dribbler, aber er hat seinen linken Zauberfuß, mit dem er gegen Hertha mit einer sehenswerten Direktabnahme zum 1:0 traf (28.), bevor er dann einen Freistoß schlug, den Max Kruse zum 2:0 ins Tor köpfte (32.).
Später gab es noch einen weiteren spektakulären Schuss aus 38 Metern, den Berlins Torhüter Thomas Kraft nur mit Mühe gehalten hat, spätestens jetzt feierten die Fans ihren Exzentriker. „Die Meinung der Menschen drum herum, die ist gemacht“, sagte Eberl. Das Publikum wünscht sich noch ein weiteres Jahr mit Arango, „trotzdem nehmen wir uns einfach die Ruhe, zu entscheiden, was wir tun, und ich muss jetzt nicht vor euch allen erklären, was wir für Gedanken haben“. Einer dieser Gedanken könnte sich um Xherdan Shaqiri drehen, der beim FC Bayern nur sporadisch zum Einsatz kommt. Für den Schweizer wäre Mönchengladbach ein ideales Entwicklungsumfeld, und die Bereitschaft, über ein Leihgeschäft nachzudenken, scheint in München vorhanden zu sein.
DANIEL THEWELEIT