: Kämpfen für die Konjunktur
JAPAN Der teure Yen kostet Arbeitsplätze und Wachstum und verschärft die Deflation. Daher feuern Regierung und Zentralbank nun aus allen Rohren zurück. Bislang aber ohne Erfolg
AUS TOKIO MARTIN FRITZ
„Wir wollen uns nicht an einem Abwertungswettlauf beteiligen“, versicherte der japanische Vize-Finanzminister Fumihiko Igarashi vor dem G-7-Treffen der Finanzminister in Washington an diesem Wochenende. Doch glaubwürdig ist seine Behauptung nicht: Erst am Dienstag senkte die Bank von Japan ihren Leitzins von 0,1 Prozent auf die Spanne zwischen 0 und 0,1 Prozent und kehrte zur Geldpolitik einer quantitativen Lockerung zurück, die sie zwischen 2001 und 2006 verfolgt hatte. Außerdem kauft die Zentralbank für zusätzliche 44 Milliarden Euro Staats- und Firmenanleihen, damit auch die langfristigen Zinsen sinken.
Gouverneur Masaaki Shirakawa begründete die nach eigenen Worten „außerordentlichen“ Maßnahmen mit der weltweit schwächelnden Konjunkturentwicklung, die den Aufschwung in Japan gefährde. In Wirklichkeit will die Regierung in dem drohenden Abschwung ihre Exportindustrie stützen, in dem sie die eigene Währung durch eine extrem expansive Geldpolitik schwächt. Diesem Ziel diente bereits Japans erster Eingriff am Devisenmarkt seit sechs Jahren Mitte September. Das Finanzministerium hatte 25 Milliarden Dollar gekauft, nachdem der Yen gegenüber dem Dollar von einem 15-Jahres-Hoch zum nächsten geklettert war.
Opfer der USA
Japan sieht sich als Opfer einer gezielten Abwertung des Dollar. Weil die US-Notenbank die Druckerpresse rund um die Uhr laufen lässt, wertete der Yen in diesem Jahr um mehr als 13 Prozent zum Greenback auf. Bis zum Allzeithoch von 1995 fehlen nur noch wenige Prozent. Dieser Wechselkurs passe nicht zu den wirtschaftlichen Problemen von Japan, rechtfertigt die Regierung ihr Vorgehen. Im zweiten Quartal ist das Bruttoinlandsprodukt nur um 0,4 Prozent gewachsen.Seit August stagnieren die Löhne, die Arbeitslosigkeit bleibt hoch. Die Exporte wachsen immer langsamer, die Industrieproduktion fällt. Anfang September sind die Subventionen für Hybrid- und Öko-Autos ausgelaufen. Darauf gingen die Bestellungen um bis zu 40 Prozent zurück. Zudem hat die Deflation seit anderthalb Jahren die Wirtschaft fest im Griff. Die fallenden Preise verringern die Einnahmen und Gewinne der Firmen. Sie bauen daher Stellen ab und verschieben Investitionen.
Eine schwache Währung verspricht nicht nur Linderung gegen die Deflation, weil dann die Importpreise steigen. Vor allem hilft sie der Exportindustrie beim Absatz in China und im Wettbewerb mit dem Rivalen Südkorea. Da der chinesische Yuan an den Dollar gekoppelt ist, verteuern sich die japanischen Ausfuhren ins Reich der Mitte, seit zwei Jahren Japans wichtigster Handelspartner.
Vorteil für Südkorea
Still und heimlich schwächt auch Nachbar Südkorea seine Landeswährung. Der Won ist die einzige asiatische Devise, die billiger ist als vor dem Lehman-Schock vor zwei Jahren. Dadurch sind die Gewinne von Samsung und Hyundai zu Lasten von Sony und Toyota explodiert. Die japanische Exportindustrie sieht deshalb kaum noch eine andere Wahl, als weniger in Japan zu produzieren. So baut Nissan seinen Kleinwagen Micra jetzt in Thailand und importiert ihn sogar nach Japan. Viele Arbeitsplätze werden Japan, bislang der weltgrößte Hersteller von Autos und Elektronikteilen, für immer verlassen.
Doch alle Anstrengungen waren bisher vergeblich. Der Yen ist inzwischen teurer als vor der Intervention am Devisenmarkt. Auch die neuen Geldschleusen der Bank von Japan schwächten die japanische Währung nur wenige Stunden. Viele Besitzer und Käufer von Yen fühlen sich sicher, weil Japan vor dem G-20-Gipfel im November in Seoul nichts gegen seine starke Währung tun kann, ohne sich starker internationaler Kritik auszusetzen.