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Archiv-Artikel

„Der Sohn entscheidet“

GELD Fast 30 Jahre beriet die Finanzexpertin Härtel-Herrmann vor allem Frauen. Jetzt wendet sie sich an „nette Männer“. Warum?

Heide Härtel-Herrmann

■ ist Diplomökonomin und betreibt seit 1986 den Frauenfinanzdienst – eine Beratung speziell für „Frauen und nette Männer“.

INTERVIEW SIMONE SCHMOLLACK

taz: Frau Härtel-Herrmann, in Ihrem Frauenfinanzdienst beraten Sie seit fast 30 Jahren Frauen in Gelddingen. Jetzt weiten Sie Ihr Angebot auf Männer aus. Warum?

Seit einigen Jahren beobachte ich, dass zunehmend Männer meine Dienstleistung nutzen. Schließlich lautet unser Slogan: „Wir beraten Frauen und nette Männer“. Das ist mir recht. Das vereinfacht das Geschäft.

Frauen sind keine gute Klientel?

Doch. Aber unter den Frauen gibt es viel größere Unterschiede als zwischen Frauen und Männern. Berufstätige Mütter und selbstständige Frauen beispielsweise kommen schnell auf den Punkt, sie haben wenig Zeit und sind es gewohnt, in Gelddingen rasch zu entscheiden. Es gibt aber auch misstrauische und unentschlossene Frauen, die nach drei Beratungsterminen noch unsicherer sind als vorher. Oder welche, die sich nach der Beratung sicher waren, was sie wollen. Dann gehen sie nach Hause, erzählen das ihrem Sohn, und der sagt: Nee, so machst du das nicht. Und dann tun die Frauen das, was der Sohn geraten hat. Dann sind die Frauen weder sicherer noch zufriedener als zuvor.

Was raten Sie?

Auf das eigene Gefühl zu hören.

Wie machen das die Männer in der Regel?

Für sie ist der Umgang mit Geld vielfach alltäglicher und normaler. Deswegen können sie besser wertschätzen, was wir für sie tun. Um nicht falsch verstanden zu werden: Prüfen, fragen, verhandeln – das gehört zu jeder Geldanlage dazu. Aber manche Frauen übertreiben da. Sie tun sich keinen Gefallen, wenn sie sich ewig nicht entscheiden. Vielen älteren Frauen fällt das seit der Finanzkrise besonders schwer.

Männer sind nicht verunsichert?

Männer sind schneller wieder zur Tagesordnung zurückgekehrt. Sie können die Berichterstattung in den Medien eher einordnen. Sie hinterfragen pauschale Abwertungen, beispielsweise von privaten Rentenversicherungen. Selbstbewusste, berufstätige Frauen mit eigenem Geld sind da ganz ähnlich. Aber Männer verfügen heutzutage oft immer noch über ein höheres Einkommen als viele Frauen.Welche Geldanlagen bevorzugen Frauen tendenziell?

Wenn es um ihre Rente geht und um eine langfristige Geldanlage, wünschen Frauen in erster Linie Sicherheit. Die Rendite ist zweitrangig. Sie interessieren sich vor allem für Immobilien, aber auch für Rentenversicherungen. Dieses Sicherheitsdenken nimmt auch bei Männern zu.

Die Mütterrente für Frauen, die vor 1992 Kinder geboren haben, sehen Sie kritisch. Wieso?

Es ist nicht einzusehen, warum ältere Mütter weniger Rente für ein Kind erhalten sollen. Aber es ist fatal, dass diese gesellschaftliche Anerkennung aus Rentenbeiträgen und nicht aus Steuermitteln bezahlt werden soll. Bei der jetzigen Regelung zahlen aber die Verkäuferin und die Krankenschwester die Mütterrente für die Zahnarztgattin, die vielleicht nie einen Cent in die Rentenkasse gezahlt hat. Das ist ungerecht.

Ungerecht für Frauen ist laut der früheren DGB-Vizechefin Ursula Engelen-Kefer auch die Rente mit 63.

Davon profitiert jeder zweite Mann, aber nur jede siebte Frau. Gerechter wäre es, wenn dafür gesorgt würde, dass die krasse Zunahme von Niedrigrenten korrigiert wird. Die größte Katastrophe für Frauen sind Minijobs und Niedriglöhne – im Erwerbsleben genauso wie für die Rente.